Lieben Sie Jane Austen? Oder zumindest E.M. Foster? Vielleicht auch nur diese Filme mit Helena Bonham-Carter? Dann werden Ihnen die ersten 270 Seiten von Ian McEwans neuem Roman auf jeden Fall gefallen: Sie spielen an einem Tag des Jahres 1935 in einem englischen Landhaus. Die Stimmung ist gespannt. Viele kleine Dinge geschehen und man ahnt, dass der Abend sie zusammenfügen wird. Nur die Kombination ist noch ungewiss. Trotz aller widrigen Umstände finden zwei Liebende zueinander, wegen noch widrigerer Umstände aber wird der Mann im Morgengrauen in Handschellen abgeführt. Zu Unrecht, der Leser und die Geliebte sind sich dessen sicher, wissen aber auch, dass es nicht Missverständnisse sind, die zur schnellen und abrupten Trennung führten, sondern dass die Gründe tiefer liegen.
Briony heißt die zentrale Gestalt des ersten Teils. Sie ist dreizehn Jahre alt und jener Tag bedeutet für sie den Eintritt in die Erwachsenenwelt und die Entscheidung Schriftstellerin zu werden An diesem Tag aber macht sie sich auch schuldig, wofür sie Abbitte wird leisten müssen, der Titel kündigt es an, denn sie ist verantwortlich, dass Robbie von ihrer Schwester Cecilia getrennt wird.
Vielleicht lieben Sie ja auch "In einem anderen Land" oder "Wem die Stunde schlägt" von Ernest Hemingway. Oder lassen sich gerne von einem Filmepos wie "Saving Private Ryan" mitreißen. Dann dürften Ihnen die zweiten 270 Seiten von "Abbitte" ebenfalls zusagen. Der Schauplatz ist Dünnkirchen im Jahr 1940. Die englische Armee tritt ihren Rückzug an und Robbie versucht, sich bis zum rettenden Strand durchzuschlagen. Direkt nach seiner Haft musste er ins Militär, immer von der Hoffnung am Leben gehalten, irgendwann mit Cecilia glücklich sein zu können. Die hat mit ihrer Familie gebrochen und arbeitet als Krankenschwester in London, sieht dort, wie ihr Geliebter auf der anderen Seite des Kanals, die Schrecken des Kriegs. Aber auch Briony opfert sich als Krankenschwester auf. Doch ob sie es schafft, Cecilia wieder für sich zu gewinnen, bleibt ebenso ungewiss wie die Frage, ob es Gerechtigkeit oder zumindest Genugtuung für Robbie geben wird. Zwar werden er und Cecilia nach langen Jahren endlich zueinander finden, aber ob sie glücklich miteinander werden, bleibt gleichfalls offen.
Man ist dankbar dafür, dass der Roman nicht so endet wie die Theaterstücke, die Briony als Kind schrieb, dass die heile Welt, die als Ideal im Hintergrund geistert nicht ausgesprochen wird. Aber auch so bewegt sich "Abbitte" häufig genug an der Grenze zum Kitsch. McEwan scheut zwar im Kleinen das Klischee und die Plattitüde, im Großen aber glaubt man, das Script für einen Hollywood-Kassenschlager um Liebe, Schuld und Sühne zu lesen. Herr Spielberg, übernehmen Sie!