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Januar 2003
Tobias Lehmkuhl
für satt.org

Franco Fortini:
Composita Solvanatur

übersetzt von Manfred Bauschulte
edition per procura, Wien 2002

Franco Fortini
Composita Solvanatur


Es gibt auch den politischen Dichter Franco Fortini (1917-1994). Die späten Gedichte Fortinis aber, von denen der Band „Composita Solvanatur“ eine Auswahl versammelt, haben vornehmlich die private Lebenswelt zum Gegenstand. Das Zimmer, den Blick aus dem Fenster, den Schritt vor die Tür: „Ich bin im Zimmer, darin ist alles aufgeräumt,/ darin ist alles September./ Über das Fensterbrett krabbeln aufgescheucht/ von den Veränderungen am Himmel die Ameisen.“

Fortinis Beobachtungen erscheinen präzise und unwirklich zugleich. Man befindet sich in seinen Gedichten in einer Art Zwischenwelt, irgendwo zwischen Wachen und Schlafen, Leben und Tod. Es sind Altersgedichte, in denen Raum und Zeit mit einer seltsamen Patina überzogen sind und eine weitere Dimension fordern: „Erspart euch, es mir zu sagen./ Natürlich sehne ich mich zurück./ Nach der Idylle./ Ich habe sie doch niemals verlassen.“

Es sind reife Gedichte, die um ihre Qualität wissen. Sie sind von allem Ornament entschlackt, frei von Geschwätzigkeit und vertrauen auf die Kraft weniger, einfacher Bilder: „Heute Nacht tötete irgendein Raubtier/ vor dem Haus ein kleines Tier. Auf den Fliesen/ im hellen Sonnenlicht/ ließ es einen blutigen Fleck zurück,/ ein veilchenfarbenes Häufchen Eingeweide/ und die Gallenblase ganz aus Gold.“

Aber es sind natürlich auch wehmütige Gedichte, Gedichte, die Abschied nehmen. Zugleich bleibt vieles an ihnen unzugänglich, eben weil sie so schlicht sind. In gewisser Weise genügen sie sich selbst: Inventarien eines Schattenreichs, letzte Handgriffe vor dem Verschwinden: „Würdest du mir die Tasse reichen,/ die mir so gefällt, meine Tasse/ mit dem braunen Henkel,/ freundliches Mädchen,/ du würdest mich so glücklich machen.“