Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen



Januar 2003
Ilse Kilic
für satt.org

Kulturbrüche
Das Buch zum Literaturpreis "Schreiben zwischen den Kulturen"
Edition Exil, Wien 2002
ISBN: 3-901899-15-4

Weitere Informationen und zu bestellen unter:
amerlinghaus.at

Kulturbrüche

Das Buch zum Literaturpreis
„Schreiben zwischen den Kulturen“


Der Literaturpreis „Schreiben zwischen den Kulturen“ wurde im Jahr 2002 zum sechsten Mal vergeben – er soll das Thema „zwischen den Kulturen“ als Problem und Bereicherung veranschaulichen, impliziert wird damit auch eine Stimme gegen die Vorherrschaft einer einzelnen Kultur erhoben, wird eingefordert, sogenannten „Minderheiten“ nicht mit Toleranz – was ja gerade „Duldung“ bedeutet und das ist eindeutig zuwenig! – , sondern mit Akzeptanz, Interesse und der Bereitschaft zu Austausch und Kommunikation zu begegnen.

Ein wichtiges Anliegen also und, ich möchte sagen, ein Anliegen, dem das Buch auf verschiedenste Weise gerecht wird. Zunächst, ich beginne mit den letzten Seiten, die Texte der jugendlichen AutorInnen bzw. der Kinder dreier Schulklassen: originell und witzig gehen die Kinder auf die ihnen gestellten Themen zu, setzen sich dabei mit ihrer eigenen Geschichte (viele von ihnen kommen aus anderen Ländern, manche wachsen zweisprachig auf, einige haben deutsch als Muttersprache) auseinander. Die Kinder drücken aber auch die Angst aus, die Angst, in dieser harten, oft ungerechten Welt zu scheitern, und, ja Sehnsucht, nach einer anderen, besseren Welt, ich zitiere dazu Textauszüge verschiedener Kurzprosatexte aus dem Projekt „Zukunft“ der SPZ Hernalser Hauptstrasse in Wien:

„Im Jahr 2300 werden die Kinder die ganze Zeit in ihren Zimmern sein, weil die Eltern es nicht erlauben, dass sie rausgehen. Sie glauben, dass sie sonst krank werden.“ (Conny Mansky)
„Die Kinder werden ganz alleine sein und mit Vögeln spielen.“ (Tamara Wurstbauer)
„Im Jahre 2298 werden die Menschen vielleicht andere Verkehrsmittel benützen. Zum Beispiel wird es Autos aus Kaugummis geben. Das wären dann Kaugummiautos.“ (Jenny Wurstbauer)

„Im Jahr 2099 werden wir alles mit Computern machen. Es gibt keine Autos und keine Polizisten.“ (Bojana Carapic)

Paula Pantha, die den halben Preis für jugendliche AutorInnen erhielt (er wurde, wie viele andere Preise, von der Jury zwischen zwei BewerberInnen aufgeteilt) kommt aus Vorarlberg. Sie erzählt in einem Interview, das die Herausgeberin dieses Bandes, Christa Stippinger, mit ihr gemacht hat, von ihrer Sehnsucht, die Engstirnigkeit und „Kantigkeit“ der Menschen in Vorarlberg hinter sich zu lassen, wegzugehen, ein Wunsch, der sie erst nach Mexico, dann nach Wien geführt hat. Paula Panthas Text ist eine sehr gelungene Darstellung von Fremdheit – einer Fremdheit, die weniger mit Land, Herkunft und/oder Sprache zu tun hat, sondern mit der „Schwerkraft der Verhältnisse“, wie Marianne Fritz sehr treffend und berührend eines ihrer Bücher benannt hat.

Die Interviews, die Christa Stippinger mit den Autorinnen und den Initiatorinnen der Schulprojekte geführt hat, machen einen guten Teil des Buches aus – sie tragen dazu bei, dass der Leser, die Leserin einen Eindruck davon bekommt, in welcher Lebenssituation der Text entstanden ist, in welcher Situation sich der/die Schreibende befindet/befand. Das ist, angesichts der sehr verschiedenen Lebenssituationen und Schreibansätze der in diesem Band vertretenen AutorInnen nicht unwichtig und auch durchaus spannend.

Also, wen es interessiert, wie eine kleine Edition in Wien sich daranmacht, einen Beitrag zu etwas zu leisten, das allgemein Integration benannt wird, eigentlich aber ein ganz selbstverständliches Miteinander verschiedener Menschen sein soll, eines, in dem es keine Mehrheiten und Minderheiten gibt, sondern „nur“ mehr oder weniger verschiedene, irgendwie aber auch gleiche, vor allem aber gleichberechtigte Menschen, wer also wissen will, was eine kleine Wiener Edition zu eben jenem Unterfangen beiträgt, der greife zu eben jenem Buch und wird solcherart dann auch erfahren, wer den ersten, zweiten und dritten Preis des Literaturpreises „Schreiben zwischen den Kulturen“ gewonnen hat.