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November 2003
Anne Kathrin Hahn
für satt.org

Leszek Herman Oswiecimski:
Klub der Polnischen Wurstmenschen

Versager Verlag, Berlin 2002

Leszek Herman Oswiecimski: Klub der Polnischen Wurstmenschen

Aus dem Polnischen von Adam Gusowski

Illustriert von Jarek Kupsc

Im Klub der Polnischen Versager preiswert zu erstehen

Drei polnische Wurst-Typen wursteln sich durch

Über das Buch
"Klub der Polnischen Wurstmenschen"



Club der Polnischen VersagerÜber die Polnischen Versager braucht man nicht mehr viel zu erzählen, sie sind in Berlins Mitte und weit darüber hinaus bekannt geworden. Spätestens, seit sie bei Alfred Biolek so dämlich geschwiegen haben. Sitzen da zwei polnische Versager herum und antworten auf die freundlichsten Fragen des Grinseopas immer nur mit, "joo", "neee", oder "doch, doch". Aber das Feuilleton sorgte inzwischen für grundierte Aufklärung. Mag der geneigte Leser doch selbst einen der schönsten und herzlichsten Clubs Berlins besichtigen, den in der Torstraße 66 gelegenen "Club der Polnischen Versager". Neben Reihen wie "Polnische Autoren läsen für deutsche Verlage" und polnischen Filmvorführungen erlebt der Besucher vielleicht auch legendäre Suffabende, bei denen mit Luftgewehren auf Bananen und Barbies geschossen werden darf, oder israelische Reisegruppen hitzige Debatten entfachen, Kleinkinder zwischen bärtigen Trunkbolden herumkrabbeln …

Nun gut, soviel zu den Polen, die sich Versager nennen. Nun zu den Polen, die aus Wurst gemacht wurden. Das Buch "Klub der Polnischen Wurstmenschen" handelt von drei solchen Exemplaren und ist ziemlich witzig. "Zum ersten Mal erschien die Gestalt aus Wurstmasse im Jahre 1998 in einer polnischsprachigen Radiosendung des Berliner Senders SFB. Es war ein 15-minütiges Hörspiel, das die Entstehung eines Wurstmenschen und seine ersten Schritte auf deutschem Boden schilderte. ‚Der Club der polnischen Wurstmenschen ist die Fortsetzung und Entwicklung der Geschichte des Lebewesens aus polnischer Wurstware.’"

Die Handlung des philosophisch unterfütterten Abenteuerromans wäre vielleicht folgendermaßen zu umreißen: Drei Typen werden von Forschern aus Wurst gebastelt und verlassen ihre polnische Heimat, um in der BRD ihr wurstiges Glück zu versuchen. Sie erleben einige seltsame Geschichten, lernen deutsch, schreiben Gedichte und am Ende jagen Agenten die Wurstmenschen. Es wird geschossen, geliebt, geflüchtet und – logisch, gesoffen. Das Drumherum dieses Handlungsstranges ist die eigentliche Würze des erfreulichen Büchleins.

Wir lesen wunderschöne Sätze wie "In dem Land, aus dem der Wurstmensch stammte, hatte das Trinken eine lange und bunte Tradition. Die vom Saufen gestützte Kultur erreichte ihren Höhepunkt in dem letzten Jahrhundert und man kann ohne Scheu sagen, dass es sich hier um so etwas wie das zweite Goldene Zeitalter in der polnischen Geschichte gehandelt hatte." Wie der Leser bald bemerkt, ist die Art der Übertragung mit sprachlichen Ungeschliffenheiten versehen, was das Lesen noch heiterer gestaltet. Man hört beinahe den polnischen Dialekt mit. "In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zog die Literatur von den Restaurants in die Universitäten um. Und das konnte nichts Gutes bedeuten … Es war die alkoholische Zeit der Fehler und der in den Folgen dramatischen Entstellungen."

Wunderbar an der Rahmengeschichte der drei Wurstdeppen hängen die polnischen Versagerfreunde ihre Kalauer und hochwertigeren Betrachtungen wie Perlen auf. So beschreibt der Autor (als Sprachrohr der Versager) den Wurstmenschen als "romantisch, mit geistiger Verwirrtheit und patriotischer Rührseligkeit stark behaftet, fähig, jede solide Daseinskonstruktion und jede Form der gegenwärtigen Existenz zu erschüttern." Die Medien beginnen sich für die Wurstmenschen zu interessieren, da werden Studien verfasst und Thesen aufgestellt und eine Broschüre mit dem gewagten Titel "Chopin, Nietzsche und ein Wurstmensch aus Polen" geschrieben. Inzwischen irrlichtern die Wurstmenschen durch die Länder der Bundesrepublik. Einer gibt Lesungen, ein anderer lebt im Kloster, und "die Vermutungen, die gnadenlosen Mecklenburger hätten zwei Wurstmenschen aufgegessen, haben sich nicht bewahrheitet."

Daneben werden erst einmal Gedichte von Lopez Mausere, einem der Gründer und Stammgäste des Clubs, analysiert. Mit den einleitenden Worten "Das Dummgeschwätz von Lopez Mausere nähert sich in seinem Gedicht Ich hatte einen Traum an Grenzen der Poesie.." stellt Oswiecimski das besagte Gedicht vor:

"Und mehr und nicht weniger
träumte ich, ich wäre
Hitler
Mit allen Konsequenzen"

Die wirklich sehr vergnügliche Lektüre des Buches wäre noch weiter schmackhaft zu machen, ich beschränke mich jedoch auf ein letztes Beispiel, das Sie nun endgültig zum Besuch des Clubs der polnischen Versager (wo das Buch preiswert zu erstehen ist) bewegen möchte: "Oberflächlich betrachtet, scheinen die Polen ein sehr kritisches Verhältnis zu sich selbst zu haben … Massiv wird die polnische Mentalität beklagt, die die Erschaffung von irgend etwas, was funktionieren könnte, unmöglich macht. In der Sprache haben Phrasen Wurzeln geschlagen, wie: ‚In diesem Land kann das nicht gelingen’, ‚mit den Polen ist das nicht zu schaffen.’ …
Mit den Polen ist einiges zu schaffen, vor allem ein humorvoller Umgang mit dem Ego, von dem wir uns eine dicke Wurstscheibe abschneiden sollten.