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Juli 2004
Tobias Lehmkuhl
für satt.org

Christian Graf von Krockow:
Stadtgeläut. Menschen in einem Grandhotel

List Verlag, München 2003

Christian Graf von Krockow: Stadtgeläut. Menschen in einem Grandhotel

255 S., 23 EUR
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Christian Graf von Krockow:
Stadtgeläut
Menschen in einem Grandhotel


"Guter Ausblick von hier oben", antwortete einmal der nicht gerade für seine Bescheidenheit bekannte Vladimir Nabokov auf die Frage, wie er seine Stellung innerhalb der zeitgenössischen Literatur beschreiben würde. Dass Eitelkeit unter Intellektuellen weit verbreitet ist, bewies auch der Romanist Ernst Robert Curtius, der einen Ruf an die Technische Hochschule Aachen ablehnte, weil ihn die Vorstellung grauste, er könnte dort im Flur von einem Ordinarius für Heizung und Lüftung mit "Herr Kollege" angeredet werden.

Man muss diese Arroganz nicht unbedingt für geistreich halten, den Unterhaltungswert, den man überzogenen Selbsteinschätzungen zubilligen kann, gehen diese allerdings sofort verlustig, werden sie ungefragt zur Schau gestellt. Findet ausgiebiges Eigenlob auch noch in Buchform statt, dann ist die Grenze zur Peinlichkeit schnell überschritten.

Der vor zwei Jahren verstorbene Christian Graf von Krockow, Autor biographischer und historischer Werke, kann insofern als großer Grenzüberschreiter gefeiert werden. In seiner aus dem Nachlass veröffentlichten autobiographischen Erzählung "Stadtgeläut", in der er seinen Aufenthalt in einem Grandhotel, dessen Gäste und die Umgebung Zürichs beschreibt, spart er nicht mit schamloser Selbstbeweihräucherung.

So kennt nicht nur jeder im halbfiktiven "Hotel am See" den Autor und lobt sein Werk in höchsten Tönen, Krockow lässt sogar seinen Verleger auftreten und sich mit den Worten "Außer ihnen könnte das nur noch Sebastian Haffner tun, doch der ist leider tot" ein Buchprojekt vorschlagen. Die, wie Krockow sie nennt, "Kollegen" Joyce und Canetti finden in "Stadtgeläut" ebenfalls Erwähnung. Doch auch wenn diese Herren in einer anderen Liga spielen, vielleicht begegnet man sich ja in himmlischen Fluren, pfeift auf allen Dünkel und schulterklopft sich gegenseitig. Immerhin hat Nabokovs Sentenz inzwischen für alle hier Erwähnten vollste Berechtigung.