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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen



September 2004
Ilse Kilic
für satt.org

Lisa Grösel (Hg.):
Universal Truth – Otito Aye

Black poetry
Buch und CD
Edition Exil, Wien 2004

Andreas Thalmayr: Lyrik Nervt!
Erste Hilfe für gestresste Leser
Hanser Verlag, München/Wien 2004

Andreas Thalmayr: Lyrik Nervt!

120 S., € 12,90
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Lyrik als Medizin


Im von Lisa Grösel herausgegebenen Lyrikband "UNIVERSAL TRUTH – OTITO AYE" kommen fünf Black poets zusammen: Grace M. Latigo, Babatola Aloba, Tony Coker, Courtney Jones und Ric Toldon. Sie alle, die hier ihre Gedichte vorstellen, leben seit vielen Jahren in Wien. Und: sie zeigen uns Wien, nein: sie zeigen mehr als Wien, sie zeigen die Wiener Wirklichkeit als Teil der Wirklichkeit in Europa, als Teil der Wirklichkeit einer Welt, in der, wie die Herausgeberin Lisa Grösel anstelle eines Vorwortes schreibt, die Güter eben nicht auf alle Menschen, die diese Welt bewohnen, verteilt sind. Bei weitem nicht.

Man kann diese Gedichte lesen, und, wie bei vielen Gedichten, ist es nicht schlecht, die eine oder andere Passage laut zu lesen, sich Wort und Rhythmus auf der Zunge zergehen zu lassen, und, was diese Gedichte betrifft, ist es auch möglich, sie zu hören, den DichterInnen zuzuhören, die ihre Gedichte musizierend interpretieren.

Und, ja, sicherlich geht es auch darum, dass, ja, der Dichter Babatolas Aloba bringt es auf den Punkt, auf einen Punkt: "we need not be taught to sing", heißt es da, also, Musik und Poesie treten als Kommunikationsmöglichkeit auf, die allen Menschen zugänglich sein möchte.

Immer wieder aber sagen Leser und Leserinnen, dass sie nicht gerne Lyrik lesen, ja, dass ein Gedicht ihnen keine Begeisterung entlocken kann, dass es ihnen mühsam vorkommt usw., weswegen ich hier auch das Buch von Andreas Thalmayr ansprechen will: es heißt "Lyrik Nervt" und es sei an die Herzen nicht nur jener gelegt, die glauben, dass sie mit Lyrik nichts anfangen können, vielleicht aber das Gegenteil entdecken. Thalmayr schlägt als Medizin gegen die möglicherweise durch Deutschlehrer und Deutschlehrerinnen, also den vorschriftsmässigen Zugang zu dem, was jene unter "guten Gedichten" verstanden, geprägt ist, also, als Medizin schlägt Thalmayr vor, Lyrik einfach auszuprobieren, als Leser und Leserin genauso wie als Schreiber und Schreiberin.

In diesem Sinne: Lyrik als Medizin gegen die Vorschrift. Oder, wie es der Schriftsteller Fritz Widhalm einmal formulierte: Schafft viele Ordnungen und die Ordnung ab.