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Dezember 2004 Andreas Gläser
für satt.org

Ahne, Spider, Stein (Hrsg.):
Die Surfpoeten

Voland & Quist 2004

Ahne, Spider, Stein (Hrsg.): Die Surfpoeten

148 Seiten + CD, Klappenbroschur, mit farb. Abb., 12,80 €
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Die Surfpoeten

Das Buch, »Die Surfpoeten«, ist das gemeinsame Debüt der gleichnamigen Berliner Lesebühne, bei der die Autoren Ahne, Spider, Michael Stein, Tube und Robert Weber sowie DJ Lt. Surf seit geraumer Zeit jeden Mittwoch auftreten. Diese Anthologie kann als die bisher authentischste dieser literarischen Strömung gelten, weil den Literaturbetriebswirtschaftlern nicht per Best-of-Masche entgegengekommen wurde, indem man einige Autoren aus einem halben Dutzend Lesebühnen aussiebte. In »Die Surfpoeten« finden sich die derzeitigen Stammautoren mit ihren Kurzgeschichten wieder, die überwiegend in der letzten Zeit geschrieben sein dürften. Es geht um die Agenda, den Absinth und anderen Alkohol; um den Wilden Westen im Allgemeinen und den Warzenarzt im Speziellen; manchmal auch schlicht und ergreifend um Sex, denn die Surfpoeten scheinen unter allen Lesebühnen-Sextetten die mit dem höchsten Fuck-Faktor zu sein.

38 überwiegend unterhaltsame Beiträge jedenfalls, entsprechend dem Durchschnittsalter der Gruppenmitglieder, angefangen vom Dienstältesten Michael Stein, der meistens im Knast steckt, zumindest offiziell, bis zu seinen Jüngern. DJ Lt. Surf gab zu jeder Geschichte eine musikalische Empfehlung ab, die er an einem der regelmäßigen »Abende der Liga für Kampf und Freizeit« spielen würde. Nach Spiders Geldsack-Story »Lassen sie doch ihr Geld für sich arbeiten« käme zum Beispiel Maria Dragomirou mit »A-i un noroc«. Wer’s hat, der hat’s. Durch derartige Details hebt sich das Buch von ähnlichen Zusammenstellungen ab.

Allerdings ist mir ein nettes Vorwort als Abriss zur über siebenjährigen Bühnengeschichte zu wenig. Im Buch findet sich nahezu nichts zum ersten Auftrittsort, dem Kneipenkeller des »Bergwerks«, von der plötzlichen Presseresonanz, dem steigenden Zuschauerzuspruch und dem daraus resultierenden Umzug in den Pavillon am Weinbergsweg, und von dort in den Muddclub. Die langjährigen Mitglieder, der Stimmenimitator Sascha Rasowitsch und der Stakkatoschimpfer Gunnar Klemm, werden im Anhang nur gegrüßt. Immerhin kann man sich derartige Infos am Ende des Buchs auf vier linierten Seiten als »Meine eigene Geschichte« zusammentragen; Webers Hörspielambitionen beim Rundfunk, Ahnes Bücher bei KiWi und so weiter. Diese Arbeitsverweigerung darf als weiteres Surfpoetenstatement gegen den Zwang zur Lohnarbeit aufgefasst werden.

Voland & Quist veröffentlichen Bücher zum Lesen und Hören, sie haben den »Surfpoeten« eine fast 70-minütige CD beigelegt, die während zwei Shows aufgenommen wurde. Zwischen Tubes Opener-Highligt »Der Transistor und die kleine Leuchtdiode« und Ahnes Schlussgebrüll »Ich bin frei« sind elf weitere Beiträge, die jeweils mit dem von Acapulco Gold gecoverten Soundtrack der Surfpoeten ausklingen. Ein lebendiges Hörbuch, das mit einem von Robert Webers wunderlichen Hörspielen, die zumeist von allen Autoren interpretiert werden, mehr Schmackes gehabt hätte.

Die sächsischen Verleger sind mit diesem Buch aber nahe dran an dem, was in der Ostberliner Innenstadt jede Woche bei den Surfpoeten und ähnlichen Bühnen vor mehr als 500 Zuschauern passiert. Es darf spekuliert werden, wann die großen Verlage vergleichbare Programme zum doppelten Preis in den Käsekaufhäusern als Schnäppchen anbieten.