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Februar 2005 | Ron Winkler für satt.org | |
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Schrumpeln wirst du wirst eine exotische Frucht seinIch bin verfault und Gott hat mich geraucht wie eine Zigarre Die auch ich geraucht habe und die neben mir verfault ist Ich war erschöpft und mein Leib wurde auf den Haufen geworfen Auf dem sich seine Züge mit denen der anderen Erschöpften vermengten Ich habe gesündigt und die Gier hat Ekel hervorgerufen während der Ekel Die Gier auf den Ekel nach sich zog und nach der Gier auf den Ekel kam allein die Gier. (Daniel Banulescu, aus „Ich gehe irgendwohin ein bisschen Blut erzählen“) Um die Figurenkonstellationen komplexer Prosawerke transparenter werden zu lassen, ist dem eigentlichen Text gelegentlich ein Stammbaum der Protagonisten zur Seite gestellt. Im Zusammenhang mit (zeitgenössischer) Lyrik findet man solche umfassenden Genealogien eher nicht. Insofern überrascht es nicht wenig, eingangs eines Gedichtbandes auf ein Schema zu stoßen, das ein noch dazu recht seltsames Netzwerk von „Büchern, Personen, Orten, Begebenheiten und Liedern“ wiedergibt, die (angeblich) auf die folgenden Gedichte besonderen Einfluss hatten. Denn Daniel Banulescu ist unbedingt ein spitzbübischer Autor, der nicht unbedingt Zeit und Muße hat, „der Menschheit das in Aussicht gestellte Gute zu bringen“. In seinem poetischen Universum gelten die physikalischen Gesetze der Absurdität. Er lässt die Welt aufs Zärtlichste mit seinen eigenen verschrobenen Ansichten kollidieren. Oft genug resolut, mitunter recht drastisch und vorzugsweise vom „Plumeau des Wahnsinns“ (Nicolae Manolescu) aus in die Sprache diktiert. Banulescu ist ein sympathischer, launischer Maldoror, über dem „ein Engel der Zwietracht“ leuchtet und der mit seinen Gedichten einen „Bundesstaat Daniel Banulescu“ entwirft, welcher ein Labyrinth ist voller Obsessionen, kruder „Gebete“ und höchst artistischer Harlekinaden. Seine Gedichte sind keine „Spitalzimmer“, wie er es einmal von Händen meint. „Gute Laune Hoffnung und Aufschwung“ äußern sich vorzugsweise im ambivalenten Gestus fröhlichen Postulierens, dessen bizarre Art und Weise ihn bisweilen hintergründig „ganz nah an Gottes Schläfe“ führt. Die drängende Vitalität dieses Dichters, seine opulente Metaphorik und seine Lust am Ausscheren aus konventionellen Darstellungsmustern, seine sprachliche Frische und „Stilanarchie“ (Richard Wagner), sein augenzwinkerndes Aufschneiden und die raue sexualerotische Prägung der Gedichte münden in einem außergewöhnlichen poetischen Projekt. Im Stehen habe ich dich geliebt mein Vaterland als ich Holz hackte Ungezügelt ist diese Poesie und voller Paradoxien, disharmonisch und verschlagen, hochgradig eigensinnig und entwaffnend burlesk. Doch obwohl viele Metaphern eigenständige Komödien bilden ein Raum reiner Theatralität ist diese Dichtung nicht. Der blauäugige Charakter der Figur „Daniel Banulescu“, ihr doppelbödig jovialer Umgang mit den Dingen und sich selbst sind überwiegend Fassade. Dahinter steckt der Anspruch, das Erhabene mitsamt seiner „abgehobenen Phrasen“ gegen die Ebenen der Realität auszuspielen und zugleich in prüdem und konservativem Umfeld die Liberation der Literatur voranzutreiben. Daher die Übertreibungen, der „sadistische und masochistische“ Impetus der Gedichte, daher ihre Heterogenität, daher die Kanäle zu Villon, Beat und Baudelaire, daher die starken Schwankungen zwischen laxen und schrillen Tönen. |
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