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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen



Februar 2005 Frank Willmann
für satt.org

Folgende Bücher von Peter Hacks braucht man unbedingt:

mit Walter Schmögner: Der Bär auf dem Försterball. Eulenspiegel 2004. 9,90 Euro.

Paisaphae, Was ist das hier? Eulenspiegel 2003. 9,90 Euro.

mit Heinar Kipphardt u. Uwe Naumann: Du tust mir wirklich fehlen. Eulenspiegel 2004, 12,90 Euro.

Tamerlan in Berlin. Eulenspiegel. 2002. 12,90 Euro.

Hundert Gedichte. Eulenspiegel 2004, 12,90 Euro.

Der Bär auf dem Försterball. Hacks und Anverwandtes. 1 Audio-CD, Eulenspiegel 2004. 12,90 Euro.

Sehn wir nachher beim Glenfiddichtrinken
Hinterm Dachfirst die Epoche sinken

Peter Hacks aktuelle Einzelveröffentlichungen im Eulenspiegelverlag

Der "letzte Klassiker", der große Berliner Autor Peter Hacks, erscheint seit Mitte der 90er Jahre im Berliner Eulenspiegel-Verlag. Nachdem dieser erfolgreich Peter Hacks' Kinderbücher verkaufte, gefiel es dem Meister auch, sein restliches Werk dort erscheinen zu lassen. Er fühlte sich bei den "Eulen" anerkannt, man schätzte seine Arbeit. Und da im Leben von Peter Hacks alles dem großen Plan folgt, war es nicht verwunderlich, dass er den Eulenspiegel-Verlag für seine "Ausgabe letzter Hand" auserkor. Diese erschien 2002. Ihr folgte eine Flut von Einzelveröffentlichungen, auf die ich im Folgenden näher eingehe.

Eines der schönsten Bücher von Peter Hacks ist zweifelsohne "Der Bär auf dem Försterball". Hier wird im Stil eines alten Märchens die Geschichte vom Bären erzählt, der seltsamerweise gewandet als Förster, unerkannt auf dem Försterball mit seinen Feinden um die Wette zecht, um schließlich, zum "Oberförster" geadelt, im Hochsuff höchstpersönlich zur Bärenjagd zu blasen: "Die Förster gerieten in einen Tatendrang und der Bär mit ihnen; der Bär sagte: Wir wollen jetzt ausgehn, den Bären schießen". Das Buch ist ganzseitig bestrickend illustriert von Walter Schmögner. Kinder wie erwachsene Leute werden ihre Freude daran haben.

Im Eulenspiegelverlag gibt es eine ziemlich knorke Anekdoten-Buchreihe. Hier darf natürlich das geniale Lästermaul Hacks nicht fehlen. Ein echtes, herrlich stänkerndes Sofabuch kam dabei heraus: "Paisaphae, Was ist das hier?"
Zu Hacks' Umsiedlung 1956 in die DDR: "Hacks, der damals noch ein hoffnungsvoller Mensch von wenig Taten war, schrieb an Brecht, den er über alles verehrte, und erkundigte sich, ob er ihm empföhle, seinen Wohnsitz aus München in die DDR zu verlegen. Brecht riet ihm dringend ab, und Hacks begab sich in die DDR. Es war dies das erste Mal, sagt Hacks, dass ich mehr Verstand zeigte als Brecht."
Zur Physiognomik: "In dem James-Bond-Film 'Der Spion, der mich liebte' hatte Hacks vor allem die Figur des Beißer gefallen. Er verfügt, sagte er, über vollkommen das nämliche Lächeln wie der Lyriker Reiner Kunze."
Über Heiner Müller anlässlich einer ausgefallenen Diskussion über Georg Lukacs (Müller war nicht vorbereitet): "Haben sie Müller jemals vorbereitet erlebt? Fragte Hermann Kant Hacks, als sie weggingen. Doch, sagte Hacks. Darauf, einem Konkurrenten ein Geschäft zu verderben, einem Kollegen die Ehre abzuschneiden, einem Kommunisten die Gurgel umzudrehen, auf diese drei Aufgaben werden sie Heiner Müller vorbereitet finden, wann immer sich ihm eine Gelegenheit bietet, es gefahrlos zu tun, an jedem einzelnen Tag und zu jeder einzelnen Stunde".

Hacks und Heiner Müller waren wirklich keine Freunde. Hacks und Heinar Kipphardt waren allerdings Freunde, eine lange Weile. Die Geschichte ihrer Freundschaft lässt sich im Buch "Du tust mir wirklich fehlen", über zweieinhalb Jahrzehnte mitverfolgen. Die beiden großen Avantgardisten der deutschen Literatur schrieben sich brillante, ausnehmend scharfsinnige Briefe. Alle Felder der Kultur- und Politikgeschichte der beiden deutschen Staaten wurden von ihnen auf höchstem intellektuellen Niveau rege beackert. Das Buch bereitet Vergnügen!

Das im Folgenden zu erwähnende Buch ging mir leidlich auf die Empfindungsstränge. Es heisst: "Nur daß wir ein bischen klärer sind", und beinhaltet den 1989/90er Briefwechsel mit André Müller. Der Briefwechsel zwischen Hacks und Kipphardt ist weltklug, spritzig und hoch intellektuell. Der Müller-Hackssche ist – zumindest was Müllers Briefe anbelangt – eitel, zutiefst gehaltlos, quasselnd, greisenhaft. Müller vergisst kontinuierlich Peter Hacks die versprochene Stalinausgabe in den Osten zu senden, wird von Hacks gemahnt und vergisst es wieder. Zwei alte Männer unterhalten sich über ihre Krankheiten, brandmarken den bösen Gorbatschow, und beschimpfen die Abwirtschaftler der SED und der DKP. Müller beweint seine knappe Rente und bietet Hacks ein Asyl in der Eifel an, da seines Erachtens zu Silvester die bürgerbewegten Sachsenhorden über Berlin einzufallen drohen. Eine Müllersche Kostprobe: "Gorbatschows Seele, das ist ja leider die Frage nach seinem Verstand. Der Mann glaubt. Und was er glaubt, ist, der Kommunismus sei nur als Kapitalismus zu retten, und als 'demokratischer' dazu. Also etwas, was es überhaupt nicht gibt. Seine Niederlagen rationalisiert der als unvermeidliche Opfer eines richtigen Weges. Und an dem Weg zu zweifeln, hindert ihn sein Glaube. Was mir ein Rätsel bleibt, ist die Seelenverfassung des sowjetischen Militärs. Die weinigen Unbeugsamen, die der DKP geblieben sind, rechnen damit, dass alles zugrunde geht … Was man muss ist, Ulbrichts Erfolge wieder ins Gespräch bringen, gegen die ist schwerer zu argumentieren als gegen die Stalins. Ich habe versucht, damit anzufangen."

Gut, man kann dann und wann darüber lachen, mehr ist aus dem Buch aber nicht zu holen. Was dennoch ausnahmslos gefiel ist die Covergestaltung. Eine außerordentlich geschmackvolle Aneinanderreihung von kleinen Hämmern und Sicheln. Das Buch kratzt am Lack von Peter Hacks – dass er dieses Erscheinen zu Lebzeiten zuließ, macht ihn groß.

Den Niedergang der DDR hat Hacks glücklicherweise wirklich genial verdichtet: "1990/Nun erleb ich schon die dritte Woche/Die finale Niedergangsepoche./Pfarrer reden in den Parlamenten./Leipzig glaubt an einen Dirigenten./Die Fabriken alle sind zuschanden./Das Proletariat ist einverstanden./Rings nur westkaschubische Gesichter./Botho Strauss passiert für einen Dichter./Auch die Freundin zeigt sich beinah prüde./Von Erwerbs- und Nahrungssorgen müde./Kann sie sich nur eingeschränkt Entschließen,/mit dem Freund den Abend zu genießen./Freilich ich, von Schwachheit keine Rede,/Bin nicht jeder, und sie ist nicht jede,/Und so folgen dem, was ich ihr tue,/Höhepunkte, und in großer Ruhe/Sehn wir nachher beim Glenfiddichtrinken/Hinterm Dachfirst die Epoche sinken." Zu finden im Gedichtband "Tamerlan in Berlin, Gedichte aus der DDR". Dringend empfehlen möchte ich auch den Band "Hundert Gedichte", der mit dem eben genannten Gedichtband einen wunderbaren Einstieg für Hacks-Novizen garantiert.

"Der Bär auf dem Försterball. Hacks und Anverwandtes", heißt eine soeben erschiene Audio-CD, auf welcher die Hacks-Bewunderer F. W. Bernstein, Wiglaf Droste, Rayk Wieland und Ernst Ludwig Petrowsky ein Programm mit Texten von und über Peter Hacks aufführen. Das Werk gehört in jeden anständigen CD-Schrank.

Nicht weiter eingehen möchte ich auf die Dramolette in "Das Hemd der Königin, auf Wunsch gekürzt", deren Schlüssigkeit mir verschlossen blieb. Auch der Band "In den Trümmern ohne Gnade, Festschrift für Peter Hacks" wird nicht den Nobelpreis erringen. Zwar huldigen darin 36 Zeitgenossen dem Genius Hacks, doch sind die meisten der Beiträger nicht die erste Wahl, ferner nach einem nicht verständlichen Prinzip ausgewählt. Viele wichtige Positionen bleiben außen vor, und besonders Zeitgenossen aus den westlichen Bundesländern und dem Ausland vermisst der Rezensent. Hacks war immerhin ein weltweit vielgespielter Dramatiker: zu viele erdrückende Speichelleckereien bescheidener Zungen trüben die Festschrift.

Trotzdem fand ich immerhin eine bitterböse Anekdote im Buch. Der zu Recht vergessene DDR-Dramatiker Helmut Baierl hat sie selbst ins Buch aufgenommen: "Unmittelbar vor der Premiere meiner Komödie 'Frau Flinz' im Berliner Ensemble, als ich mit rotem Kopf durch die Gänge des Theaters irre, sagt Hacks, Besucher der Uraufführung: 'Baierl, was regst du dich auf. Ein schlechtes Stück wird dadurch nicht besser.'"