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Juni 2005 |
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Augusten Burroughs
Er war Werbetexter, jetzt ist er David Sedaris’ größter Konkurrent. Er ist "krass!" Und mittlerweile auch "trocken!" Wie man bei Rowohlt nachlesen kann.
Ich gebe zu, es kommt nicht oft vor, dass ich beim Lesen eines Buches feuchte Augen bekomme. Selten bringt mich ein Autor soweit, dass ich über sein Werk Tränen lache oder weine. Bei der Lektüre von Augusten Burroughs’ Büchern ist mir schon beides passiert, manchmal im Abstand von wenigen Minuten. Woran liegt’s? Ist es die unsentimentale und lakonische Art, mit der Burroughs noch den größten Ungeheuerlichkeiten ihren Punch zu nehmen versteht? Sind es die wahnwitzigen Vergleiche, die ihm immer wieder einfallen? Die schonungslose Offenheit seiner eigenen Geschichte und die tiefe Ehrlichkeit menschlichen Wahrheiten gegenüber? All das und mehr wird es wohl sein, aber ganz an erster Stelle steht das Unsentimentale. Ein schlechterer Schriftsteller würde bei dem, was Burroughs in seinem gerade mal vierzig Jahre währenden Leben mitgemacht hat, schnell in Selbstmitleid, Bekenntnislyrik oder Zynismus verfallen. Nicht so Burroughs. Seine Gabe ist es, in jedem Scheißhaufen, in den man tritt, noch eine Chance zu sehen - solange der Fuß noch dran ist.
Die Story um einen schwulen Werbefuzzi mit Alkoholproblem (der identisch ist mit dem Autor Burroughs), der von seiner Chefin zur Entziehungskur gezwungen wird und dabei die abstrusesten Menschen kennenlernt, sich in einen Cracksüchtigen verliebt und seine große Liebe verliert, ist wunderbar kurzweilig, witzig, voller kleiner Höhepunkte und seltener Ausrutscher ins Kitschige. "Die Tiefe deiner Oberflächlichkeit ist erschütternd", sagt ein Freund einmal zu ihm, und diese Meinung kann man als Leser uneingeschränkt teilen. Letztlich ist es aber wohl genau diese Oberflächlichkeit (aus der Burroughs nie einen Hehl macht), die ihn vor größeren seelischen Verletzungen schützt. Wer sonst würde so offen beim Tod des Freundes darüber nachdenken, welche Vorteile das Ableben des Geliebten mit sich bringt: "Jetzt kann ich deine Nummer aus dem Kurzwahlspeicher meines Telefons löschen. Ich kann deinen Geburtstag vergessen." Über den Vorgänger "Krass!" wurde in den deutschen Feuilletons schon genug geschrieben, daher nurmehr ein kurze Themenübersicht: Egozentrisch-phallische Mutter mit dichterischen Ambitionen will ihren nervenden Sohn loswerden, alkoholkranker Vater schließt sich trinkend im Keller ein, Coming Out in einer Pflegefamilie, mit 13 Jahren Missbrauch durch den Adoptivsohn der Familie, Beginn einer Beziehung mit diesem, wechselnde irre bis durchgeknallte Szenen einer Psychiater-Sippe. Unter der Regie von Ryan Murphy wird "Running with scissors" (so der Originaltitel) gerade verfilmt, produziert von Brad Pitt und Jennifer Anistons Firma Plan B. Wenn die filmische Umsetzung nur halb soviel Witz hat wie Burroughs’ Buch, dann wird man von einem Erfolg sprechen können. Solch einen Stoff kann eigentlich noch nicht mal Gwyneth Paltrow kleinkriegen (die die Rolle der Hope spielen wird). Über die Titel der deutschen Übersetzungen kann man sich hingegen nur wundern. Wie man aus dem verstörend-poetischen "Running with scissors" ein stockdummes "Krass!" (mit Ausrufezeichen vor allem!) machen kann, um dann ein "Trocken!" (!) hinterherzujagen, wo es im Original schlicht "Dry" heißt, das zu verstehen braucht es wohl mehr Grips!, als in ein Rezensentenhirn geht. Macht aber nix, denn man kann die Bücher ja auch im amerikanischen Original lesen. Ist wahrscheinlich eh noch "krasser!". |
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