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Juni 2005 Adrian Kasnitz
für satt.org

Thomas Kunst:
Sonntage ohne Unterschrift

Tisch 7, Köln 2005

Thomas Kunst: Sonntage ohne Unterschrift

160 S., » amazon

» thomaskunst.de

Sonntage ohne Unterschrift
Köln mit neuem Verlag



Thomas Kunst
Thomas Kunst
Foto: Dana Horaczek

"Sonntage ohne Unterschrift" lautet der Titel des neuen Romans von Thomas Kunst. Daß der 40jährige Autor Lyriker ist, zeichnet sein Buch aus, es ist eine poetische Sprache, die den Text wie auf Wellen trägt. Ein vielleicht Brief-, womöglich Tagebuchroman, der den Prozeß der Trennung eines Paares festhält. Der Schreibende sitzt in einem Hotel in New York, die Adressatin schweift in Europa umher. Die räumliche, physische Distanz weitet sich aus zu einer Entfremdung der Partner. Und nur Beschwörungsformeln, Litaneien, die den Text in Form eines Spiels mit wiederholten Passagen, Phrasen, Versatzstücken strukturieren, können die Beziehung der beiden über den langen Zeitraum von etwa anderthalb Jahren aufrechterhalten. Es ist eine stetig begossene Sehnsuchtspflanze, die abrupt eingeht, sobald die Erfüllung eintritt. Mit der Erfüllung gehen Reiz und Geheimnis verloren. Die herbeigesehnte Nähe zerstört die Beziehung, die mittlerweile auf einem anderen Fundament gründet, nämlich dem der Imagination und Erinnerung.

Das Fehlen der Signatur ("ohne Unterschrift") weist auf eine doppelte Absenz. Es fehlt nicht nur der Körper der Geliebten (für die bei einer Fernbeziehung normalerweise das Wochenende reserviert ist, wenn die Arbeit ruht), auch die Kommunikation mit ihr bleibt eine verhinderte. Sie ist auf's Telefon ("jetzt") beschränkt, der Briefverkehr (zumal zwischen Kontinenten) wird absurd, weil der Gefühlszustand bei Abfassung und Ankunft des Briefes niemals identisch sein kann. Das Fehlen der Signatur beschreibt zugleich die Ereignislosigkeit des von Sehnsucht "Geplagten", der in eine Art Trägheit oder Depression fällt: "Vorhänge zu, Flaschen auf".

Mit dem Verlag Tisch 7, der zum literarischen Frühjahr sein erstes Programm vorstellt, erhält Köln ein neues Fähnchen auf der Verlagslandkarte. Er mag ein wenig die Lücke schließen, die sich mit dem Abgang des Tropen Verlages aufgetan hat. Vielleicht ist es gar kein schlechter Zufall, wenn im Verlagsprospekt Bettina Hesse und Frank Niederländer, die beiden Verleger, in der Nähe des Taxistandes am Brüsseler Platz posieren, der ehemaligen Heimat des Tropen-Teams, dem von hier aus einige Erfolge gelungen sind. Wie sich das Programm von Tisch 7 entwickeln wird, welche Schwerpunkte es setzen, welche Bereiche es abdecken kann, wird erst in den kommenden Saisons ersichtlich, wenn die Hardcoverreihe um weitere Sachbücher oder um die Reihe "Nomaden", die auch "schwierigeren" Textformen (Essay, Erzählung, Lyrik) ein Format bieten will, ergänzt wird. Bislang offeriert Tisch 7 drei belletristische Titel (neben Thomas Kunst sind dies Erzählungen von Alban Nikolai Herbst und das Debüt der Kölnerin Doris Konradi) sowie ein Sachbuch zur deutschsprachigen Popmusik. Auffällig ist auch die äußere Gestaltung der Bücher. Ein einprägsames Verlagssignet dient der Wiedererkennung. Auch wenn die Cover von Kunst und Herbst für meinen Geschmack zu verspielt, zu schrill aufgemacht sind, wird der Wille der Macher deutlich, durch ein einheitliches Design Präsenz - zumal auf dem Büchertisch - zu signalisieren. Hier fehlt die Unterschrift nicht. Ebenfalls nicht die von Jochen Schimmang, der seine zwei kommenden Bücher in Obhut von Tisch 7 gibt.