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August 2005 Ní Gudix
für satt.org

Björn Ludwig:
Einmal fliegen noch

Killroy Media, Asperg 2005

Björn Ludwig: Einmal fliegen noch

14,00 €
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Björn Ludwig:
Einmal fliegen noch

Es bleibt dabei, und es ist nicht zu leugnen: Michael Schönauer hat ein Händchen für gute Schreibe mit Spunk. Björn Ludwig ist der nächste Pfeffersprecher in der Reihe "killroy 10+1 stories". "Einmal fliegen noch" hab ich, mit einer Flasche Grünem Veltliner, in zwölf Stunden runtergegurgelt. Eine Wucht, das Buch, sowohl was die Schreibe als auch was die beschriebenen Gestalten angeht. Man vergißt das Buch nicht wieder, wenn man es einmal intus hat.

Der Titel und die von Schönauer ausgewählten Textzitate auf dem Cover suggerieren zunächst einen dieser üblichen, im Moment ja immer noch ach so trendigen Berlin-Großstadtromane. Man denkt erst: Ach Gott, derlei Zeug hab ich in den letzten Jahren doch schon jenuch jelesen, oder nich? Aber ich, als alter Killroy-Freak, weiß inzwischen aus Erfahrung, daß bei Schönauer nie "das Übliche" zu finden ist, daß in seinen Büchern immer mehr drin ist als "man" vermutet. Und so ist es auch hier. Björn Ludwigs Buch ist keinesfalls einer der üblichen Berlin-Romane, schon allein weil hier der eine lebenswichtige Faktor vorhanden ist, der bei herkömmlichen Berlin-Romanen meist fehlt: Authentizität. Es geht in "Einmal fliegen noch" um einen Kreuzberger Hardcore-Alkoholiker namens Nils (der, anders als der Klappentext schreibt, für mich weniger ein Lebens-, sondern eher ein Überlebenskünstler ist), der in einer Bar eine durchgeknallte polnische Boxerschnalle trifft und dann mit ihr durch den Sommer 2000 kajolt, bis zum gänsehauterregenden Finale am Norweger Prejkestolen. Und das ist so lebensecht und unromantisch erzählt, daß einem die Haare zu Berge stehen. Ludwig kennt sich aus, und das ist vor allem in den Details ersichtlich: daß seine Schnalle, wenn sie sich ärgert, immer ohne jeden Artikel spricht, ist kein cooler Gag, sondern fußt darauf, daß es im Polnischen keine Artikel gibt. Und die Begleiterscheinungen beim Fuselabusus hab ich lange nicht mehr so rigoros ehrlich und authentisch beschrieben gefunden: Pegel halten, Schweißausbrüche, Entzug statt Kater, Trennung von Essen und Trinken ("grizzlyartiger Hunger", wenn auf Entzug, wenn nicht, ersetzt der Fusel den Fraß) und die üblichen Ausreden: gibt es einen Unterschied zwischen Trinker und Säufer? Ist es ein Fortschritt, wenn der Alkoholiker sagen kann, er trinkt doch im Moment "nur Bier"?

HEL Toussaint sagte mal, ein Schriftsteller ist erst dann einer, wenn er mindestens eine Gestalt geschaffen hat, die lebt. Die wirklich lebt! Benjamin von Stuckrad-Barres Heinis leben nicht, das sind Marionetten aus Teer, genauso die Figuren aus Houellebecqs Romanen. Aber Björn Ludwigs Nils lebt. Man riecht ihn, hört ihn, fühlt ihn, sieht ihn. Man liest das Buch und fühlt sich NICHT allein, und das ist das Große an diesem Roman. Ich wünsche mir mehr von diesem Autor.