Kurt W. Fleming ist eigentlich Verleger. Und Archivar in Sachen Max Stirner. Aber jetzt hat er seine skurrilen Abenteuer als Soldat bei der NVA in einem Buch verarbeitet. Man liest, daß es in der DDR anders zuging als beim westdeutschen Bund, wo man wenigstens die Möglichkeit hatte, aus persönlichen Gründen den Dienst an der Waffe zu verweigern. Die Nationale Volksarmee war ein Bollwerk, dem man sich nicht entziehen durfte.
Jaroslav Haseks Roman „Schwejk", Kultbuch in der DDR, gelangte durch die beiden Verfilmungen mit Heinz Rühmann und Fritz Muliar auch zu cineastischem Ruhm. Den Ernst in eine Groteske umzuschlagen war sein Stil, und ähnlich verfährt Fleming, der im sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat dem Wohl des Volkes dienen soll, sprich, die Grenzen schützen, damit der Kapitalist nicht reinkommt, und der Sozialist nicht raus.
18 Monate konnten lang sein, man drittelte sie: erstes Diensthalbjahr, zweites, und zum Beginn der letzten 150 Tage schaffte man sich ein Bandmaß an, das farbig gestaltet wurde und, wie der Autor sagt: „Es war schon erstaunlich, wie wir unsere Kreativität in Sachen steckten, die doch den symbolischen Zweck hatte, uns das Warten auf das Ende der Armeezeit zu erleichtern und uns zu zeigen, daß alles tatsächlich ein Ende habe."
Fleming hielt sich für einen guten Soldat, der kein guter Soldat war. Dieses Paradoxon erklärt er aus seiner Sicht des „diaklektischen“ - der Summe von dialektisch und eklektisch; Bemerkungen, die im Sozialismus statt besseren Antworten oft als Worthülsen gebraucht wurden. Wir lesen, daß er kein braver Soldat war, denn vieles, was er in der NVA unternahm, entsprach nicht dem Reglement, und was er davon hielt, nicht seiner Vorstellung. Mit kalkulierter Berechnung, tolldreister Chuzpe und einer dezidierten Auslegung wurde er unter seinesgleichen ein „Robin Hood", den Ungerechtigkeit anekelte. „Ich wollte keinen Terror, ich wollte keinen Stunk, ich wollte keine Schikanen jeglicher Art."
Wäre Fleming nicht auf der Schreibstube gelandet, hätte er wohl nur ein guter oder schlechter Soldat sein können. So aber nimmt er sich in seiner Schreibarbeit mehr heraus als ihm zusteht, verteilt, auch sich selbst, die Urlaubsscheine an die Kameraden, stellt seinen Namen unter die Liste der Selbstverpfleger, und ohne Aussicht zur obligatorischen Beförderung ab dem letzten Drittel zum Gefreiten, bleibt er ein schlechter Soldat und befördert sich aus einer Laune heraus kurzerhand und kurze Zeit auch noch zum Major.
Er handelte in einfacher Schwejk-Manier und sagte darüber: „Mir war es eh wurscht, war ich doch Schreiber und die wichtigste Person nicht nur in der Kompanie, sondern im ganzen Bataillon, trotz mancher Scheiße, die ich als Ei den Offizieren auf den Schreibtisch gelegt hatte."
Eines Nachts, als eine Regimentsübung stattfinden sollte, hockte Fleming als UvD und hing seinen Gedanken nach. Das Telefon schellte, Fleming schickte den Benachrichtigungsläufer los. Damit war die Sache für ihn erledigt. Und für den Läufer war die Sache vermutlich bereits hinter der nächsten Baracke erledigt, wobei ein ganzer Regimentsalarm zu Fall kam. Doch die Reise nach Schwedt blieb ihm erspart - sowie er einem notorischen Pechvogel durch Urkundenfälschung ebenfalls die Reise ins berüchtigte Militärgefängnis ersparte.
Jedem, der bei der Bundeswehr „gedient“ hat, wird der Gegensatz zur NVA ins Auge stechen, nicht direkt extremer im Drill, dafür bedingungsloser im Kadavergehorsam, man mußte fest an den Klassenfeind glauben, an diese „Horde Barbaren", die das Arbeiter- und Bauernland überrennen und einnehmen würden. Einige änderten ihre Meinung erst nach Beendigung ihrer Dienstzeit, als sie Kaffee, Jeans und Schallplatten aus dem Westen von Verwandten bekamen, andere verpflichteten sich für Jahre. Der Autor jedenfalls leistete gleich zu Beginn passiven und aktiven Widerstand, und schon der Klappentext kündigt „dreiste Abenteuer und Überraschungen“ an, die „so gar kein Ende nehmen wollen."
Es lohnt, das Buch aufzuschlagen und zu lesen, denn „Ein Schwejk in der NVA“ ist ein autobiographisch gezeichnetes Zeugnis vergangener Jahre. Und wie Voltaire bemerkt hatte: Die Menschen sind klug - die einen vorher, die anderen nachher.