Stempelsprache
Diese CD ist schon über ein Jahr alt, als sie mir wieder in die Hände fällt. „Mehrsprachige Tomaten“ ist ein Konzeptalbum, das sich um Gedichte aus Dückers’ gleichnamigen Gedichtband dreht, der im Jahr 2001 erschien; Texte über das Reisen, über das Sich-Finden in der Fremde, über Begegnungen mit sich und anderen – und auch über das Sich-wieder-verlieren. Vom brandenburgischen Sand ans Mittelmeer und wieder zurück. Der sympathische Verlag St. Oberholz aus Berlin, der im Jahr scheint’s nicht mehr als ein, zwei Veröffentlichungen auf den Markt bringt, diese aber mit viel Liebe zum Detail ausstattet, hat diese schöne CD-Edition herausgebracht.
Tanja Dückers muss man nicht mehr gesondert vorstellen, ihre Stellung im deutschen Buchmarkt ist, gerade nach Erscheinen ihres kontrovers diskutierten Romans „Der längste Tag des Jahres“, gesichert. Bertram Denzel hingegen dürfte den wenigsten Leuten bisher weiter aufgefallen sein. Dabei war Denzel schon bei der ersten Buchpräsentation der Autorin („Morsezeichen“, 1996) als Musiker beteiligt. Denzel hat bei den Film-Soundtracks zu „Paul is dead“ und „Liegen lernen“ mitgewirkt und ist Teil des Musikduos Denzel + Huhn. Seine Elektronikspielereien vertragen sich aufs Beste mit den zum Teil lakonischen Texten. Man weiß trotz wiederholtem Hören nicht, was einem besser gefällt: die Musik oder die Texte, die Tanja Dückers angenehm unangestrengt und unprätentiös spricht. Wahrscheinlich ist es aber doch das Zusammenspiel aus beidem, das den Reiz ausmacht.
Es ist natürlich eine Mär, dass es sich bei „Mehrsprachige Tomaten“ um Gedichte handelt. Vielmehr schließen sich die durchaus im Prosastil geschriebenen Texte (nur der Zeilenumbruch macht sie zu Gedichten) in dieser Zusammenfassung zu einem Reiseroman, dem man aber mit nicht weniger Vergnügen folgt – bis zu seinem Ende, welches wiederum ein Anfang ist:
Perpetuum mobile
Vor den U-Bahnfenstern
immer die gleichen Baukräne Berlin
kalkulierte Unordnung
perpetuum mobile ich fahre wieder zurück
und sie haben sich keinen Zentimeter bewegt
nicht mal Graffiti auf den öden bunten Plastik
Bänken merke ich wie jemand seinen Schwanz
an meinem Samtrock reibt
Mit einer müden Handbewegung
verscheuche ich den Schwanz und eine Fliege
fällt Schutt in eine Baugrube
Tag für Tag