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Februar 2007
Adrian Kasnitz
für satt.org

Aus dem Tagebuch einer Schnecke.

Über die Reisebeschreibungen
von Patrick Leigh Fermor


Ich will alleine über die Berge gehn,
und keiner soll von meinen Wegen wissen;

(Erich Mühsam)



Patrick Leigh Fermor:
Die Zeit der Gaben

Zu Fuß nach Konstantinopel:
Von Hoek van Holland
an die mittlere Donau.
Der Reise erster Teil
Dörlemann, Zürich 2005

Patrick Leigh Fermor: Die Zeit der Gaben

415 S., 23,90 Euro
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Patrick Leigh Fermor:
Zwischen Wäldern und Wasser

Zu Fuß nach Konstantinopel:
Von der mittleren Donau
bis zum Eisernen Tor.
Der Reise zweiter Teil
Dörlemann, Zürich 2006

Patrick Leigh Fermor: Zwischen Wäldern und Wasser

365 S., 23,90 Euro
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Schaut man sich im Buchhandel um, so wird man seit einiger Zeit auf Wanderbücher treffen, die Wandern aus der Perspektive von Prominenten oder als Weg zur Selbstfindung beschreiben. Dabei ist die Reisebeschreibung alles andere als ein neu entdecktes Genre - man denke nur an die Odyssee oder die Bibel, an mittelalterliche Pilgerfahrten oder an Reiseschilderungen von Madame de Staël, Mark Twain oder Bruce Chatwin. Auch der englische Schriftsteller Patrick Leigh Fermor (übrigens Chatwins Vorbild), dessen Bücher seit wenigen Jahren ins Deutsche übersetzt werden, reiht sich in die Gruppe der Reiseschriftsteller ein, war er doch in jungen Jahren zu einer Reise aufgebrochen, um Schriftsteller zu werden.

In diesem Tempo kommt er nie nach Istanbul, denkt man, wenn man dieses ungewöhnliche Buch zu lesen beginnt. Und man behält recht. Mittlerweile sind zwei Bände in einen Umfang von insgesamt mehr als 750 Seiten erschienen und er ist immer noch nicht da. Was ist das für ein Buch, fragt man sich. Und was ist das für ein Kauz, der sich da auf die Reise begibt? Und was ist das überhaupt für ein Europa, von dem es handelt?

Im Winter 1933/34 schifft sich Fermor nach Holland ein, um dort eine abenteuerliche Wanderung quer durch Europa zu beginnen. Sein Ziel ist „Konstantinopel“ und damit verbindet der erschreckend gebildete 19-jährige Schulabbrecher eine eher vage Schwärmerei, die sich aus historischen Büchern speist und ihn vorwärts treibt. Er reist zu Fuß, mit Rucksack und Wanderstock bepackt, und findet Quartier in billigen Unterkünften, Scheunen oder Schlössern, je nachdem wie weit ihn Empfehlungen und neue Bekanntschaften tragen.

So durchwandert er Holland, das seit einigen Monaten von Hitler regierte Deutsche Reich (wo er u.a. Weihnachten in der Kölner Altstadt verbringt, einen Laurel-und-Hardy-Film im einem Bonner Kino sieht), Österreich, die Tschechoslowakei, Ungarn und Rumänien - eine mitteleuropäische Landschaft, die wenige Jahre später durch den Zweiten Weltkrieg ihre heterogene Morphologie einbüßen wird. Eigentlich beschreibt er eine in England (oder Westeuropa) völlig unbekannte Geographie, die der Leserschaft nur aufgrund von Redewendungen für eine barbarische Ferne bekannt sind (wie Karpaten, Transsilvanien oder Walachei). Sein Ziel ist es, seinen Landsleuten diese als Kulturlandschaft zu vermitteln. Das Buch wird er erst Jahrzehnte später schreiben und am dritten Teil arbeitet er sogar noch. Das, was als Reisebericht geplant war, hat sich zu einem auch für Mitteleuropäer nicht minder interessantem Kompendium entwickelt, das Aufschluss über eine untergegangene Landschaft geben kann, über Städte, die im Krieg zerstört, über Menschen, die umgebracht, über Archive, die vernichtet, über Grenzen, die verschoben worden sind, über antike Spuren, die auf dem Grund von Stauseen zu suchen sind.

Einerseits fungiert dieses Buch als ein Archiv verloren gegangener Schätze und wird jedem Historiker gefallen, andererseits hat es über die Jahrzehnte seiner Entstehung nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Ein Beispiel mag dafür genügen: im Sommer 1934 spaziert Patrick Leigh Fermor durch das rumänische Sibiu, das von seinen Bewohnern auch Hermannstadt und Nagy Szeben genannt wird. Der kulturbeflissene Europäer wird es ihm im Jahr 2007 gleichtun, wenn diese barocke Stadt in Siebenbürgen als Europäische Kulturhauptstadt wiederentdeckt wird. Und der eine oder andere wird sich zweifelsohne auf Spurensuche machen und erfahren wollen, was sich eigentlich hinter den nun plötzlich gekärcherten Fassaden dieser Stadt verbirgt.

Die Lebensdaten Fermors sind keineswegs ohne Spannung zu lesen. Wegen seiner humanistischen Bildung und der Beherrschung des Altgriechischen kam der 1915 Geborene im Zweiten Weltkrieg in Griechenland zum Einsatz. Als britischer Agent lebte er im Untergrund mit kretischen Hirten und organisierte den Widerstand gegen die deutschen Besatzer. Dabei gelang ihm auch ein spektakulärer Coup: die Entführung eines deutschen Generals (später unter dem Titel Ill Met by Moonlight verfilmt). Nach Reisen durch die Karibik und Aufenthalten in Klöstern kehrte er nach Griechenland zurück, wo er heute noch als Schriftsteller lebt.

Übertragen wurden die beiden Bücher von dem in Köln und der Eifel lebenden Übersetzer Manfred Allié (der zweite Teil in Zusammenarbeit mit seiner Frau Gabriele Kempf-Allié). Für die Übersetzung ist er kürzlich mit dem Helmut-M.-Braem-Übersetzer-Preis ausgezeichnet worden.