Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




Mai 2007

Preisung des lustigen Dichters

Ijoma Mangold von der Süddeutschen Zeitung wunderte sich unlängst auf der Leipziger Buchmesse lautstark, dass es ja doch deutsche Literatur gebe, die sowohl anspruchsvoll als auch lustig sei. Hingerissen zu diesem Statement hat ihn die Lektüre von Wolfgang Herrndorfs „Diesseits des Van-Allen-Gürtels“.

Viel mehr als Mangold über Herrndorf wundere ich mich immer wieder über die Meinung der deutschen Literaturkritik, es gebe selten gute humoristische – man mag das Wort ja kaum in den Mund nehmen, es klingt so nach vermufften 50er-Jahre-Herrenwitzen beim Frühschoppen in verrauchten Kneipen, aber gut – es gebe also selten gute, humoristische Literatur aus deutschen Landen. Welch ein Quatsch. Da gibt es natürlich die unfreiwillig komischen (als Beispiel mag da Günther Grassens letzter Gedichtband dienen), aber nicht nur die. Richtig, mit Robert Gernhardt ist im letzten Jahr der primus inter pares in die letzten Jagdgründe hinaufgefahren, aber es ist ja nicht so, dass er eine komplette tabula rasa hinterlassen hätte. Ein veritabler Nachfolger ist sicherlich der in den letzten Jahren sein altes stabil hohes Niveau wiedergefunden habende Max Goldt.


Max Goldt: QQ
Rowohlt, Berlin 2007

Max Goldt: QQ

160 S., Hc, 17,90 Euro / 31,70 sFr.
   » amazon
Wolfgang Herrndorf:
Diesseits des Van-Allen-Gürtels

Erzählungen
Eichborn, Berlin 2007

Wolfgang Herrndorf: Diesseits des Van-Allen-Gürtels

192 S., 17,90 Euro / 29,90 sFr.
   » amazon

Mit „QQ“ (was für „quiet quality“ steht, also die Kunst nicht zu „schreien und zu spritzen“) legt Goldt im Rowohlt Berlin Verlag wieder einmal eine Sammlung von Kolumnen vor, die - zum Teil in vorläufiger Version und unter anderem Titel - in den Jahren 2005 und 2006 in der Satirezeitschrift „Titanic“ erschienen sind. Die Qualität der Goldtschen Texte liegt immer wieder in der Verquickung scheinbar völlig unabhängiger Themenkreise miteinander, weshalb er leicht vom Hölzchen aufs Stöckchen und zurück auf Hölzchen kommt. Und genau das ist die Kunst: er kommt leicht dahin zurück, ohne viel Gewolltheit – etwas, was den guten Humoristen schon mal vom gemeinen Kabarettisten unterscheidet. Goldt will nie etwas: er will nichts beweisen, er will nichts bewirken, er schreibt einfach darüber, was ihm beim leben so vor die Linse kommt. Natürlich ist er trotzdem der Moralist, den viele in ihm schelten: Max Goldt liebt es sicher nicht, wenn nichtsnutzige Bahnfahrer ihn ob seines quietschenden Koffers bezichtigen (in „Ein Querulant hört was knarren“) oder, wie in dem vielleicht schönsten Text des Bandes „Preisung der grotesken Dame“, alte versponnen herumlaufende Frauen aus Berlin verspottet werden. In seiner Verurteilung von gewissen kleinbürgerlichen Praktiken ist Goldt sehr harsch und genau. Aber: einer muss es ja machen! Und nie hebt er den Zeigefinger, sondern höchstens mal dezent das Bein.

Wolfgang Herrndorf macht es etwas anders. In den Geschichten von „Diesseits des Van-Allen-Gürtels“ nimmt er jeweils eine Situation des Alltagslebens (zum Beispiel die Folgen eines Autoklaus inmitten einer nächtlichen Waldkulisse) und strickt daraus einen slapstickartigen, oft auf gewollte Komik hinarbeitenden Witz. Die Situationen dieses Alltagslebens sind allerdings deutlich dem Alltag eines Schriftstellers entnommen, der möglicherweise Wolfgang Herrndorf heißt und die Zentrale Intelligenz Agentur“ (ZIA) mitbegründet hat, jene Bagasch, der auch die amtierende Bachmann-Preisträgerin Kathrin Passig entstammt. Will sagen: der Autor muss nicht groß in die Ferne schweifen, um witzige Situationen vorfinden zu können. Das ist oft nahe am Schlüsselroman. In dem Text „Zentrale Intelligenz Agentur“ Abschluss und Höhepunkt des Buches, wird anhand der Gründung eben dieser ZIA eine in ihrer Abgefahrenheit schon wieder tödlich spießige Partygesellschaft geschildert. Das ist zwar längst nicht so gekonnt wie bei Goldt, dafür spricht Herrndorf das Kind im Leser sehr geschickt an (man will einfach immer wissen, wie’s weitergeht) und Dialoge schreiben, die eins zu eins aus dem Leben gegriffen sind, kann er ebenso. Auch bei der Geschichte mit dem geklauten Auto (das – natürlich – „Im Oderbruch“ abhanden kommt).

Dass eine billige Pointe am Ende denn doch meist verweigert wird, spricht für die Texte. Warum aber Mangold ausgerechnet Wolfgang Herrndorf als Beleg für die wiedergefundene Komik in der deutschen Hochliteratur anführt, muss doch einigermaßen im Dunklen bleiben – wo es doch andererseits Kaliber wie Max Goldt gibt.