satt.org: Literatur: Lorenz Schröter: Das Buch der Liebe
 

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Dezember 2007
Stan LaFleur
für satt.org

Lorenz Schröter:
Das Buch der Liebe

„American Pie“ von Don McLean ist in doppelter Hinsicht ein Schlüsselsong des amerikanischen Folkrocks. Bis in die Gegenwart gecovert (letztlich von Madonna erneut chartskompatibel verkitscht, vor knapp zwanzig Jahren von Killdozer auf unerreichte Höhe katapultiert) wird das Lied über die Geschichte des Rock`n`Roll und den Tag, als die Musik starb, seinen Autor vermutlich überleben. Der schweigt sich beharrlich über die zugedachte Bedeutung manch kryptischer Zeile aus, über die zahlreiche, wenngleich nicht allzuweit voneinander entfernte Spekulationen bestehen. So etwas führt gemeinhin zu Kultstatus.

Lorenz Schröter: Das Buch der Liebe

Ob Lorenz Schröter, der vor allem die deutungslastigen Zeilen aus „American Pie“ als Hommage an den Rock`n`Roll und zugleich roten Faden durch seinen Roman „Das Buch der Liebe“ spannt, sich gedacht haben mag, daß das eine leicht zum andern führt? Jedenfalls gelingt Schröters lustige Mischung aus 80er-Jahre-Trash, Sex-und-Gewalt-Manga samt Transmutationen sowie Midlife-Crisis-Therapie, wie sie bunter und kruder auf Kurzromandistanz kaum vorstellbar ist – vor matt schillernden deutschen Provinz-Panoramen, mit Ausflügen in den guten alten Rock`n`Roll natürlich, etwas dünn und verwirrend gewürzt mit einer zweiten Erzählperspektive, dabei stets gut gerührt.

Zum Handlungsstrang: Kramer, verschnarchter Familienvater, will Frau und Tochter am Flughafen abholen. Statt dessen trifft er auf japanisches Punkgör. Nach schnellem Sex im Hotel trudelt der Rest ihrer Rockband ein: Wie sich herausstellen wird, in Wirklichkeit eine religiöse Gruppierung von zwischenwesenartigen Elvis-Jüngern auf der Suche nach den deutschen Wurzeln des American way of life. Die Gang bestimmt Kramer zum Fahrer ihrer Deutschlandtournee, die sich an mythischen Orten der Elvis-Religion orientiert. Dabei fließt reichlich Bier und Blut. Denn natürlich ist, wie jede Religion, auch die Elvis-Religion uneins über den wahren Weg. Auf einem Konvent im pfälzischen Hochstadt, dem Heimatort von Elvis Presleys Ahnen, kommt es nach einigen Abenteuern und Verlusten zum finalen Showdown. Oder war doch alles nur ein Traum? Jedenfalls: Gestorben wird immer wieder gern. Und: „Bitte höchstens halbernst nehmen!“ könnte als praktischer Lesehinweis auf den Buchumschlag gestempelt stehen.

„Das Buch der Liebe“ taugt krisensicher als Baustein für jede willkürliche oder auch gehobeneren Maßstäben huldigende Trash-Sammlung und erzählt nebenbei mit respektablem Unterhaltungswert und urtümlich-deutschem Staunen vom üblichen Halbwissen vor dem Tod, von Ungeheuerlichkeiten und Normalitäten, deren Kenntnis notfalls (wogleich nicht zwingend) Leben oder noch wichtiger: Seelen retten kann: Laß dich nie mit falschen Schutzengeln ein, denn wenn nachts zielstrebige Elvisse in Stretchlimousinen vorfahren, ist schon so gut wie Schicht im Schacht!



Lorenz Schröter: Das Buch der Liebe
Verlag Antje Kunstmann, München 2007
160 Seiten, gebunden, 16,90 €
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