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Februar 2008
Felix Giesa
für satt.org

Der Tod und die Alte

Den Tod in der Kinder- und Jugendliteratur zu thematisieren ist nicht neu und seit „Die Brüder Löwenherz“ wird dieses für Kinder vermeintlich ungeeignete Thema immer wieder aufgearbeitet. Allerdings bot Astrid Lindgren ihren kindlichen LeserInnen noch die Option auf ein wundersames Abenteuerleben nach dem Tod, welches die weltliche Realität vollkommen ausblendete. Anders Wolf Erlbruch, dessen Bilderbuch „Ente, Tod und Tulpe“ hingegen den Tod in seiner vollen Tragweite abbildet. Dies scheinen die beiden extremen Pole der Darstellung vom Tod für Kinder zu sein. Autor Hermann Schulz nun versucht für das Bilderbuch „Die schlaue Mama Sambona“ einen Mittelweg zwischen diesen beiden Polen zu beschreiten.

Hermann Schulz (Text) und Tobias Krejtschi (Illustrationen): Die schlaue Mama Sambona

Hermann Schulz (Text) und Tobias Krejtschi (Illustrationen): Die schlaue Mama Sambona
Mit neckischen Spielereien kommentiert der Illustrator das ,klassische’ Afrika. Die Sanduhr versinnbildlicht gleich zweierlei: dass zum einen die Zeit der Mama bedrohlich knapp wird, aber zum Glück die Dinge in Afrika die Dinge manchmal etwas länger dauern ...

Hermann Schulz (Text) und Tobias Krejtschi (Illustrationen): Die schlaue Mama Sambona
Herman Schulzes Tod ist kein „Unmensch“, sondern eigentlich ein netter Kerl, der sogar Sinn für Humor besitzt und so lässt er sich am Ende gerne um den Finger wickeln und wagt sogar ein Tänzchen mit der Mama.

Der in Ostafrika geborene Autor, der bereits einige stark beachtete Afrikaerzählungen verfasste, nähert sich dem Stoff, indem er seine Geschichte als afrikanisches Märchen präsentiert. Die titelgebende „Schlaue Mama Sambona“ ist die Königin der Insel Ukerewe im Ukerewe-See und bereits schon sehr betagt. Also wird es für den Tod Zeit, der alten Dame einmal einen Besuch abzustatten und sie zu ihren Ahnen zu geleiten. Doch in Afrika ist das gar nicht so einfach: der Tod muss sich hier an so manche Regel halten. So zum Beispiel, dass er, wenn er jemanden dreimal nicht angetroffen hat, diese Person erst einmal nicht mit sich nehmen kann. Auch darf er niemanden holen, der sich gerade um ein Kind kümmert. Dies sind natürlich geheime Regeln, aber Mama Sambona ist schon so lange am Leben, dass sie diese natürlich kennt und so kann sie dem Sensenmann immer wieder geschickt von der metaphorischen Schippe springen. Herman Schulzes Tod ist kein „Unmensch“, sondern eigentlich ein netter Kerl, der sogar Sinn für Humor besitzt und so lässt er sich am Ende gerne um den Finger wickeln und wagt sogar ein Tänzchen mit der Mama.

Diese Art und Weise mit dem Thema Tod umzugehen ist nicht unproblematisch, suggeriert sie doch, dass man lediglich klug genug sein muss, um diesem zu entwischen. Auch die Ansiedlung der Handlung in Afrika kann dieser etwaigen Wirkung nicht entgegenwirken. Schulz hätte sein Märchen- bzw. Mythenmotiv stärker ausarbeiten müssen, um dieses Dilemma auszuschließen. So erfordert es der Text allerdings, dass sich Eltern ihm gemeinsam mit ihren Kindern nähern.

Auf der bildnerischen Ebene setzt Tobias Krejtschi Schulzes Text herausragend um. Der junge Hamburger Illustrationsstudent hat an einem Wettbewerb des Peter Hammer Verlages teilgenommen, bei dem es darum ging, zu Herman Schulzes Text Illustrationsvorschläge einzureichen. In seinen warmen Gouache-Bildern läßt er ein anderes Afrika entstehen, als es uns derzeit allabendlich in den Nachrichten vorgeführt wird. Es nimmt das mythische, geheimnisvolle Afrika und kommentiert es immer wieder mit neckischen Spielereien. So schippert Mama Sambona in einem Papierschiff über den Ukerewe-See und an dessen Ufer versinnbildlicht eine Sanduhr gleich zweierlei: dass zum einen die Zeit der Mama bedrohlich knapp wird, aber zum Glück die Dinge in Afrika die Dinge manchmal etwas länger dauern ... Einen besonderen Blickfang bieten dann noch die Vignetten, die teilweise die Textseiten verzieren und mit denen auch Vorsatzblätter gestaltet sind. An traditionelle Holzschnitte der afrikanischen Kunst erinnern diese kleinen Bildchen, die immer wieder die Möglichkeit bieten die Handlung der Textebene zu verlassen und selber zu fabulieren.

„Die schlaue Mama Sambona“ ist weder ein Buch über Afrika, noch ein Buch über den Tod. Es ist eine Parabel, die es ermöglicht dem Tod einmal zu entkommen und die Hoffnung offen lässt, dass er, so wie in Afrika, vielleicht einfach etwas länger braucht.



Hermann Schulz (Text) und
Tobias Krejtschi (Illustrationen):
Die schlaue Mama Sambona

Peter Hammer Verlag 2007
24 Seiten, € 13,90
ab 5 Jahren
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