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April 2008 | Gerald Fiebig für satt.org |
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![]() | ![]() Dobler räumt auf
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![]() Franz Dobler Foto: Ralf Illing |
Gerald Fiebig: Franz, in deinem neuen Roman spielt Musik eine große Rolle, und vielen Lesern bzw. Hörern bist du als Musikkritiker, CD-Herausgeber und Musikbiograf bekannt. Gab es in deiner schriftstellerischen Laufbahn einen Punkt, an dem du dir gesagt hast: „Das mache ich zu meinem Thema“?
Franz Dobler: Nein. Die Musik hat sich offensichtlich reingedrängt und hört nicht auf damit.
Gerald Fiebig: Fühlst du dich beschimpft, wenn man deine Arbeiten zur „Popliteratur“ zählt?
Franz Dobler: Wenn man den Begriff ernst nimmt, dann stehen am Anfang (in Deutschland) Autoren wie Brinkmann, Fauser, Fichte. Damit ist der Begriff gerettet. Und zu Pop gehörte schon immer das Trivial-Banal-Doofe, aber auch das Experimentelle, Aggressive, Nihilistische. Popliteratur, als Trend der letzten Jahre, wurde von Kritikern schnell wieder in den Eimer getreten, die keine Ahnung hatten, dass die Geschichte etwas größer ist. Ich glaube, ich habe mich selber nie als Popliterat bezeichnet, kann aber mit der Irgendwie-Zuordnung leben (irgendwie), also: so what?
Gerald Fiebig: Du hast dich dem „Romanzwang“ des Buchmarkts nach dem Kult-Erfolg deines Romandebüts „Tollwut“ zugunsten kleinerer, auch experimentellerer Formen verweigert. Warum jetzt doch wieder ein Roman?
Franz Dobler: An meinem ersten Roman hab ich insgesamt vier Jahre gearbeitet – so geht’s nicht, dachte ich, ist mir zu zäh. Und ich hatte immer genug anderes zu tun. Jetzt hab ich etwas mehr als ein Jahr gebraucht, das ist okay – ich hatte den Eindruck, „Aufräumen“ funktioniert nur in dieser Länge, und weil ich selten mit dieser Länge arbeite, war es eine Herausforderung, die Spaß gemacht hat. Ich muss zwischen solchen langen Arbeiten kürzere schreiben, sonst wird’s öde. Dass der Roman inzwischen die bestimmende Form auf dem Literaturmarkt ist, hat vor allem kommerzielle Gründe: lässt sich am einfachsten verkaufen. Deswegen hat man oft den Eindruck: 50 Seiten hätten gereicht. Im Grunde kann man jeden Mist auf 500 Seiten aufblasen, jede bescheuerte Kleinigkeit ausmalen bis zum Letzten, was soll der Quatsch? Kommt aber an – siehe den Wahn mit historischen Romanen: Aus jedem Spaziergang von Goethe mit irgendeinem Girl kannste einen Roman basteln.
Gerald Fiebig: Du hast seit Deinen ersten Buchveröffentlichungen in der Edition Nautilus in einer ganzen Reihe von Verlagen publiziert, so im bommas verlag, in der Edition Tiamat, bei Antje Kunstmann und im belleville Verlag – wobei belleville-Verleger Michael Farin in deinem neuen Buch, das bei Kunstmann erschien, als Lektor genannt wird. Sind die Lektoren für einen Autor im Zweifelsfall wichtiger als die Verleger?
Franz Dobler: Nach dem Johnny-Cash-Buch bei Kunstmann zu bleiben, war mein Wunsch, weil ich das Programm, die Leidenschaft, die Mitarbeiter, das Klima großartig finde. Und die Chefin hatte die Idee, mir Michael Farin als Lektor zu verpassen. (Der spezielle Witz ist, dass das Buch „Amok“, das bei mir eine wichtige Rolle spielt, in seinem Verlag erschienen ist). Und der war wirklich hart, und hat schon einige Autoren vertrieben, die sich dem nicht aussetzen wollten. Aber ich kenne ihn seit vielen Jahren und wusste, dass ich zwar nicht jeden seiner Vorschläge annehmen, aber über jeden genau nachdenken muss. Man vertraut ja nicht jedem, der zu einem sagt: Diese fünf Seiten streichst du besser, und dieser Dialog, der ist langweilig. Wenn man so will: In diesem Haifischbecken hatte ich die besten Haie auf meiner Seite.
Gerald Fiebig: „Amok“ wird in deinem Roman als Quelle genau benannt, ähnlich wie einige wenige Schallplatten, und es gibt im Buch auch eine herrliche Stelle, in der literarisches Namedropping ad absurdum geführt wird. Welche Rolle spielt die Recherche mit oder Einverleibung von fremden Texten für einen Roman wie „Aufräumen“?
Franz Dobler: Im Fall von „Amok“, der Studie von Lothar Adler, kann der Leser die Recherche mitverfolgen, weil die Hauptperson das nachliest. Was Einverleibung betrifft, gibt es nur eine Stelle: Die zwei Verliebten kennen den Film „Out of Sight“ und spielen damit herum, wie es ihnen grade gefällt, stellen sich vor, sie wäre die Polizistin, die auf ihn angesetzt ist. Ist aber nicht nötig, dass der Leser den Film nach dem Buch von Elmore Leonard kennt, um das zu verstehen. „Aufräumen“ ist ja ein schlampiger, verkappter Thriller, da gehört diese Stelle dazu.
Gerald Fiebig: Du arbeitest ja auch bei deinen Liveauftritten an der Schnittstelle von Musik und Sprache, etwa mit deinem DJ Hoerspiel Ensemble zusammen mit Hubl Greiner. Wobei du dabei sowohl mit eigenen Texten als auch mit Aufnahmen fremder Texte arbeitest. Gibt es da eine gegenseitige Beeinflussung zwischen dieser Art der Arbeit mit Sprache und dem Schreiben?
Franz Dobler: Die Auftritte mit dem DJ Hoerspiel Ensemble haben viel mit Collage und Improvisation zu tun, eben mit der Live-Situation, mit meinem Partner – alles ist möglich. Während das Collagieren bei meinem Schreiben praktisch keine Rolle spielt.
Gerald Fiebig: Bleiben wir noch beim Thema Sound. Auf deiner Website steht zu lesen, dass du Dozent für die akustische Gestaltung von Texten warst. Was genau muss man sich darunter vorstellen?
Franz Dobler: Studenten, die bei einer Lesung von mir waren, haben mich damals eingeladen. Im Fach Design gibt es auch die Abteilung Akustik, und bei mir ging es dann um die Frage, wie man einen Text inszenieren/vortragen kann. Einfaches Beispiel: Wird er gebrüllt, wird er von zwei Personen ruhig vorgetragen, sind die in schwarz gekleidet oder nackt und läuft im Hintergrund die Deutschlandhymne? Plötzlich öffnet sich hinter dem Text ein riesiger Raum von Möglichkeiten. Den man auch größtenteils ignorieren kann – geht nur darum, dass man sich dessen bewusst ist.
Franz Dobler: Aufräumen. Roman.
Verlag Antje Kunstmann, München 2008
Gebunden mit Schutzumschlag
208 Seiten, 17,90 Euro
» www.franzdobler.de
» www.kunstmann.de
» amazon
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