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1. August 2008 | Felix Giesa für satt.org |
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Wem nützt der Krieg?Es gibt wenig gute Kriegsliteratur und noch weniger gibt es gute Kriegsliteratur für Kinder. Wo es sie gibt, da handelt es sich um Betroffenheits- oder Schicksalsgeschichten, die meistens in einem kollektiven „Nie wieder Krieg!“ gipfeln. Die Auslöser und Hintermänner von Konflikten werden schon gar nicht bespiegelt. „Der Gänsegeneral“ von Marjaleena Lembcke mit Bildern von Heike Ellermann stellt hierzu eine beeindruckende Ausnahme dar. „Der General war ein wichtiger Mann.“ Das erkennt man sofort, wenn man das Bilderbuch aufschlägt: Dort sieht man Reihe um Reihe grüne Soldaten aufgestempelt. Wem all diese Leute gehorchen, der muss wichtig sein. Und weil Soldaten von Generälen in den Krieg geschickt werden, schickt der General seine Truppen auch immer wieder in die Schlacht; meistens erfolgreich. Heike Ellermann lässt in ihren Bildern Unmengen von roten und blauen Soldaten übereinander purzeln. Dabei stempelt sie die Umrissfiguren mal in digital überarbeitete Fotos von weiten Feldern, mal in Trümmerbilder des Zweiten Weltkrieges. Doch jeder Krieg endet irgendwann und danach „ging es allen Beteiligten schlecht.“
Für den General dennoch kein Grund auszuruhen, gilt es doch vorbereitet auf den nächsten Krieg zu sein. So viel Stress kann natürlich nicht gut gehen und nach einem Schlaganfall findet er sich in einem Krankenhaus wieder. Der gesamte Staatsapparat ist in Sorge um ihn. Was ihn nicht weiter stört, er will lieber Bratkartoffeln und in Ruhe gelassen werden. Von Krieg will er fortan nichts mehr wissen. Lembckes Geschichte erscheint schon im Schriftbild gleich einem Gedicht, abgesetzt in kurze Strophen. Für diese Sprache findet Heike Ellermann immer die passenden Bilder: Wenn der General im Krankenhaus liegt, erkennt man nur das Fußende seines Bettes, eine Collage aus gerupftem und geschnittenem Papier. In die Bildmitte hat sie eine Karte montiert, von der aus rote und blaue Soldaten auf das Bett strömen, gleichsam als würden sie den General um Befehle und somit Sinn im Leben bitte. Doch er hat anscheinend genug vom Befehlen – und auf dem nächsten Bild liegen die Soldaten wie fallen gelassenes Spielzeug auf dem Boden.
Wenn für sein Umfeld sehr schnell klar ist: „Der General ist verrückt!“, dann offenbart sich für den Leser jedoch ein feinfühliger Wandel in diesem Menschen, für den Krieg vormals der Lebensinhalt war. Auch für Kinder nachvollziehbar ist, wie der General, ausgelöst durch die Beinahe-Todeserfahrung, einen Wandel zum Pazifisten hin durchmacht. Zum Beispiel, wenn er sich Brieftauben zulegt und diesen kleine Botschaften auf den Flug mitgibt: „Krieg ist Gewalt“ steht etwa auf diesen. Die Illustratorin verzichtet hier bewusst auf die verkitschte Darstellung einer symbolschwangeren Friedenstaube. Stattdessen rieseln die Notizzettel über die Buchseite, im Hintergrund eine pixelige Landschaft überspannt mit einem Rechenblockgitter.
Das besänftigt den ehemaligen Befehlshaber jedoch nur für kurze Zeit – und bald fehlt ihm, was ihn bisher ausgefüllt hat: Marschieren lassen. Natürlich weiß seine Frau Rat, da die Frauen auch Soldatenmütter sind und seit jeher wissen, wie unsinnig Krieg ist, Männer aber nicht vom Befehligen abzuhalten sind. Und so schenkt sie ihrem Mann eine Kompanie Gänse. Diese lässt er nun Tag ein, Tag aus marschieren, immer mit dem Akkordeon voran. Und wenn im letzten Bild der Geschichte eine gestempelte Gans mit Offiziersmütze auftaucht, dann ist das mit Nichten zu lesen, als dass der General eine dumme Gans wäre. Vielmehr wird er als Mensch ernst und mit seinen Macken und Vorlieben angenommen. Somit bietet „Der Gänsegeneral“ zwar keine Lösung für die Konflikte unserer Zeit, die er ja auch gar nicht thematisch aufgreift, aber er macht die Machthaber zu Menschen und damit nachvollziehbar. Auch für Kinder, denn der General hat im Gänsemarsch zum Kind in sich zurückgefunden.
Marjaleena Lembcke (Text) |
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