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26. August 2008
Anne Hahn
für satt.org
  Norbert Kron: Der Begleiter

ART Escort
Die Künstlerbegleitagentur


„Art Escort“ ist ein Kunstprojekt - und ein völlig neues, ungewöhnliches Escort-Modell: Berlin-Besucher und -Neuentdecker können Künstler, Schriftsteller und Musiker buchen und sich von ihnen nach individuellen Wünschen durch die Hauptstadt begleiten lassen – sei es bei einer Besichtigung der angesagten Galerien, bei Atelier- und Opernbesuchen oder bei abendlichen Soirees.

Auftaktveranstaltung:
27. August, Kaffee Burger, Bar (linker Eingang), Torstraße 58, 10119 Berlin, 22 Uhr Einlass, 22.30 Uhr Beginn, Eintritt frei.

Präsentation der Begleitagentur „Art Escort“ mit Vorstellung der anwesenden "Escort-Artists" und Lesung aus „Der Begleiter“ von Norbert Kron. Durch den Abend führt die RBB-Moderatorin Petra Gute.
» www.art-escort.de




Etwas wie ein moralisches oder unmoralisches Buch gibt es nicht. Bücher sind gut geschrieben oder schlecht geschrieben. Nichts weiter!“ Kein geringerer als der Skandalautor Oskar Wilde äußerte diesen Gedanken in seinen Vorbemerkungen zum „Dorian Gray“. Menschliches zu beschreiben, wohnt der Literatur seit Anbeginn inne. Wie weit das Menschliche, das Moralische, gefasst ist, unterliegt den Interpreten der jeweiligen Epoche. Skandalös kann daher ein Buch im Jahre 8 des neuen Jahrtausends kaum sein, welches sich dem Eros widmet. Dem Geschäft mit der Liebe. Und doch erregte das Erscheinen des neuen Romans von Norbert Kron einiges Aufsehen. Die Buchvorstellung des „Begleiters“ fand in einem ehemaligen Bordell am Savignyplatz in Berlin statt, das inzwischen eher einen bieder-gepflegten als einen erotisch aufgeladenen Eindruck vermittelt. Mehr als hundert süffisant grinsende Bürger zwängten sich hinein.

Norbert Kron ist der Gentleman per exellance. Eine gepflegte, schlanke Erscheinung, stets charmant und äußerst höflich. Selbst die aufdringlichsten Fragen der Moderatorin beantwortete er lächelnd, beinahe zärtlich. Auch eine häßliche Frau müsse für einen „Begleiter“ begehrenswert sein, natürlich! Geschickt wich er den Fragen nach dem reelen Recherche-Einsatz für sein Buch aus, blieb unverbindlich souverän. Diskret, leise, auch nach zwei schweißtreibenden Stunden gut in Form! So ein Mann könnte wirklich der Beglücker einsamer reicher Damen sein!

Sein Roman dauert drei Akte und zwei Zwischenspiele lang, drei wichtige Frauen bestimmen ihn. Elisabeth Vonhofen, die Geheimnisvolle, erscheint als flüchtiger Engel. Alexander Felitsch, der arbeitslose und vor allem geldlose Journalist, wird von der engelsgleichen als Begleiter gebucht. Dass ausgerechnet sie, in die er sich verliebt, seine körperlichen Dienste nicht in Anspruch nimmt, bildet den Dreh- und Angelpunkt des Buches. Ein Makel, eine Unzulänglichkeit der Hauptfigur? Wie in seinem ersten Roman „Der Autopilot“ durchlebt der Mann im mittleren Alter eine Krise. Diesmal ist die Partnerschaft schon gescheitert, ist das Kind, wenn auch nicht das eigene, längst geboren. Es geht um Sinnliches und Sinn. Wozu lebt die reiche Frau? Was kann sie mit Reichtum bewirken? Wie sinnlich ist bestellte Liebe? Wieviel Nähe kann ein verletzter Mensch ertragen? Oder kaufen?

Norbert Kron bleibt elegant bis in die Beschreibung intimster Szenen. Seine Ejakulationen sind Sinfonien, keine Vulkanausbrüche eines Helmut Kraussers. Bezeichnend für seinen melancholisch romantischen Blick auf die Liebe, der trotz des pekuniären Tenors seiner Romanhandlung ständig durchschimmert, sind die gewählten Zitate vor den Akten. Zum Beispiel: „Liebe äußert sich nicht im Verlangen nach dem Liebesakt, sondern im Verlangen nach dem gemeinsamen Schlaf.“ (Milan Kundera)

Mit Humor und viel Einfühlungsvermögen gestaltet Kron seine Figuren plastisch und lebendig, besonders die Frauen Marian und Jeanne, Alexanders Ex und seine aktuelle „Nebenbei-Geliebte“. Das Alter-Ego des Romans schmeißt den Job schließlich hin. Die Geheimnisvolle hat sich etwas ganz subtiles ausgedacht, gut für Alexander, sie selbst und nebenbei auch für die Menschheit an sich...



Norbert Kron: Der Begleiter
Roman, dtv München, 2008
272 Seiten, 11,95 €
» dtv
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