Verrückter Kinderkram
Die Kinderbuchreihe des KOOKbooks-Verlags
2003 gründete Daniela Seel den KOOKbooks-Verlag – und sorgte für reichlich Aufsehen in der deutschsprachigen Verlagslandschaft: Mit wunderschön aufgemachten Büchern und einem mutigen Schwerpunkt auf Gegenwartslyrik. 2005 begann sie mit der Herausgabe einer Kinderbuchreihe. Und bereits ein Jahr später gewann das zweite Buch, „Gaggalagu“ von Renate Habinger und Michael Stavaric den Österreichischen Kinderbuchpreis. Letztes Jahr erschien „Durch dick und dünn. Through thick and thin“ von Samara Chadwick und Andreas Töpfer und wurde als „eines der schönsten Bücher“ von der „Stiftung Buchkunst“ ausgezeichnet. Jetzt liegt das neueste Buch vor: „Ein Waldwicht fliegt in den Oman. Eine Reise in Reimen“ von Melanie Laibl und Dorothee Schwab – veröffentlicht mit Mitteln des „Romulus-Candea-Preises“. Was ist das für ein Verlag, der sich in einem so hart umkämpften Markt wie dem Kinderbuchmarkt behaupten kann und dann auch noch mit jeder Veröffentlichung einen Preis absahnt? satt.org hat sich die Bücher einmal angesehen.
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 Michael Stvaric (Text), Ranate Habinger (Illustrationen): Gaggalagu 48 S. € 14,90. Ab 8 Jahren
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„Gaggalagu“, das Buch mit dem eigenartigen Namen, ist eine Reise um die Welt und in das Reich der Sprachen und Tiere. Michael Stavaric reimt und dichtet sich um den Globus und stellt dabei überrascht fest, dass es in jeder Sprache eigene Verlautsprachungen für Tiergeräusche gibt. Warum sollte der Hund schließlich auch überall „wau wau“ machen?
Letzten Sommer in Italien, wir kamen aus dem Staunen nicht mehr raus – bau bau bellen dort die Hunde, aber bauen tun die nichts. Im Baskenland, ließ ich mir sagen, bellen Hunde zaun zaun, da muss ich mich fragen, was meinen die? Zäune sah ich nie!
Dazu ergänzt Renate Habinger mit ihren Illustrationen den Text auf wunderbare Weise: Da streckt sich ein Hund über einen ausgerissenen Kartenausschnitt und kläfft in acht Sprachen, während eine Katze sich heimlich über sein Futter hermacht. Ein tabellenartiges Schaubild erklärt, wie sich einzelne Tiere in Ostasien anhören ... Dabei zeichnet sie die Tiere immer in dunklen Schraffuren und positioniert sie zu Collagen. Es finden sich gerupfte Kartenstücke, Notizzettel und Aquarelle gepaart mit Bunt- und Wachsstiftzeichnungen. Die gesamte Aufmachung des Büchleins ist typisch für KOOKbooks: Klappenbroschur mit einem durchgängigen Umschlagbild und im Vorsatz zwei transparente Blätter, die uns über das nationale Krähen der weltweiten Hähne aufklären.

Die internationale Hundepopulation scheint zumindest im Sprachgebrauch erhebliche Verständigungsprobleme zu haben.
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 Andreas Töpfer (Illustrationen), Samara Chadwig (Text): Durch dick und dünn. Through thick and thin. 48 € 14,90. Ab 4 Jahren
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Ganz anders erscheint da „Durch dick und dünn“. Weniger verspielt, als streng formal erscheinen die beiden Figuren Pim und Pipa wie zwei Scherenschnitt-Figuren in einem Schattentheater. Wie Konstrukte in einem Geometrieheft erscheint das Inventar: alles entweder geradlinig oder zumindest mit dem Zirkel gezogen. Da passt es nur zu gut, dass als Untergrund noch die Rechenkästchen des Matheblocks durchscheinen ...
Die Geschichte selber erzählt, wie Pim und Pipa sich kennen lernen. Der eine spielt recht gerne, den anderen zieht es in die Ferne. Ganz einvernehmlich einigt man sich auf beides und wird unterwegs gut Freund. Und das, obwohl man unterschiedliche Sprachen spricht. So wird alles jeweils zweimal berichtet – einmal auf Deutsch und einmal auf Englisch. Und wie der Text und die Illustrationen sich auch auf der Seite ergänzen, dass gehört in der deutschsprachigen Bilderbuchlandschaft zum Allerbesten.

Mathematik des Spiels: Dreiecke, Kreise, Halbkreise und Winkel ermöglichen ein zauberhaftes Schattentheater auf dem Rechenkästchen.
Im neuesten Buch aus der Kinderbuchreihe wird erneut gereimt, wie es der Untertitel bereits verspricht: „Eine Reise in Reimen“.
Ein Waldwicht sitzt auf einem Baum/ und baumelt mit den Beinen,/ er träumt einen verrückten Traum -/ ganz anders als die anderen Kleinen./ Anstatt zu Hause still zu sitzen,/ möchte’ er r u n d um den Erdball flitzen.
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 Melanie Laibl (Verse), Dorothee Schwab (Illustrationen): Ein Waldwicht fliegt in den Oman. Eine Reise in Reimen. 32 S. € 19,90. Ab 3 Jahren
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Für den winzigen Bewohner eines Baumes findet sich natürlich schnell eine clevere Lösung und so macht er sich alsbald auf einem „Raschelblatt“ auf und hinaus, die Welt zu erkunden. „Mit an Bord: sein ganzer Mut und sein Lieblingseichelhut.“ So gut ausgerüstet führt ihn die Reise um die ganze Welt mit Stationen im kalten Spitzbergen, im heißen Afrika, im wilden Brasilien und an noch ein paar Ecken. Doch schließlich sehnt er sich nach einer Rast „und denkt an seinen Lieblingsast.“ – Denn daheim ist es im Kinderbuch zum Glück häufig genug noch am allerschönsten.
So unterhaltsam die Geschichte des kleinen Wichts auch ist, es sind gerade die Reime, die einem mit der Dauer etwas enervieren. Es scheint, als könne man kleinen Kindern immer nur Paarreime zumuten. Das ist natürlich nicht der Fall und überrascht gerade aus dem Hause KOOKs. Man kann Kindern durchaus etwas mehr Kompetenz im Umgang mit Sprache und auch an Freude an der Sprache zutrauen. Denn gerade der Bereich der Kinderlyrik wird seit etlichen Jahren mehr als sträflich vernachlässigt. Umso mehr enttäuscht dieser Umstand, als das „Ein Waldwicht fliegt in den Oman“ ein wirklich wunderschönes Bilderbuch ist: großformatig, erstmals bei KOOKbooks fest eingebunden und mit Illustrationen, welche die ganze Bandbreite an zeitgenössischem Design quasi im Vorbeigehen präsentieren – ohne dabei die Seiten zu überladen. Dorothee Schwab schneidet Fotos aus Bildbänden aus, zerschnippelt die Zeitung, Notenblätter und Pappe und klebt alles wieder zu farbenfrohen Collagen zusammen. Danach zückt sie ihre Buntstifte und malt das bunte Treiben der Wichte im Baum auf oder das Treffen des Wichtels mit den Affen in Afrika. Bei so einer abwechslungsreichen Darstellung wird natürlich auch der Text nicht einfach nur zeilengenau in eine Ecke gesetzt, vielmehr passt er sich dem Geschehen an, folgt mal der Biegung einer Welle, schlängelt sich zwischen den Beinen zweier Giraffen hindurch oder raschelt mit den Blättern des Baumes durcheinander. Hinzu kommt noch eine große Karte für die Kinderzimmerwand, damit die Abenteuer des Wichtels auch geographisch zugeordnet und eigene Reisepläne geschmiedet werden können.

Wenn im Herbst die Blätter bunt werden und von den Bäumen fallen, dann packt auch den kleinen Waldwicht die Reiselust.
So unterschiedlich diese drei Titel sein mögen, sie eint, dass sie sich wohltuend vom Gros des Markts abheben und besonders die herkömmlichen graphischen Wege verlassen und neue Strecken (und somit Möglichkeiten) erschließen wollen. Auf diesen wenig beschrittenen Wegen, für die es leider keine Karte von Dorothee Schwab gibt, und auf denen auch kein Kompass hilft, hat sich Daniela Seel bisher als sichere Fährtenleserin erwiesen. Hoffentlich geht sie auch weiterhin nicht verloren!
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