Georg Haderer: Der bessere Mensch. Kriminalroman. Haymon Verlag, Innsbruck 2011. 328 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 19,90 € »Verlag »amazon
Der Ermittler auf der Suche nach dem besseren Menschen Georg Haderers Krimiserie um Major Schäfer geht in die dritte Runde
Prunkbauten aus der Kaiserzeit, die Frauen in Reif und Rock, der Herr Professor im Frack. Fiaker, die selbstverständlich wie Hans Moser auszusehen haben, kutschieren die Gäste aus aller Welt durch die Altstadt, vorbei an Stephansdom, Staatsoper und Albertina. Alles glänzend und sauber; eine Stadt, die ausschließlich gegründet wurde, um ihren Einwohnern und den zahlreichen Touristen eine schöne, sorglose Zeit zu kredenzen – so zumindest das Bild, das wir Westdeutschen von der österreichischen Hauptstadt im Kopf hatten, bis uns Johann Hölzel 1985 auf »Falco 3« anhand des Verkaufsgesprächs eines Wiener Würstchenverkäufers mit einem amerikanischen Touristen (... des macht 100, na na, Schilling, net Dollar, übertreiben woll'n mer's net ...) endgültig von der Verschlagenheit der dortigen Geschäftsleute überzeugte.
Dass man in Wien nicht nur bei Melange im Kaffeehaus sitzt, sondern zumindest als Polizist auch mit Ekligerem konfrontiert werden kann, schildert Georg Haderer in seinem bereits dritten, wiederum beim – gerade im Krimibereich – hervorragend aufgestellten Haymon-Verlag erschienenen Kriminalroman «Der bessere Mensch«.
Schneller Einstieg: Major Schäfer und seine Kollegen treffen sich am Tatort eines Mordes, einer Villa im exklusivsten Viertel, in deren Wohnzimmer eine Männerleiche liegt, von der dank Phosphorsäure nur noch anzunehmen ist, dass sie einmal einen Kopf besessen haben mag. Der Tote: Hermann Born, ehemaliger Vorsitzender der rechtsextremen Nationalpartei, der sich erst kurz zuvor aus der ersten Reihe zurückgezogen hatte. Mögliche Feinde müssen nicht lange gesucht werden, finden sich im Haus doch zahllose Devotionalien rechter Gesinnung, abgerundet von Zeitungsartikeln, die Born so ziemlich jeder mit Rassismus und Antisemitismus in Verbindung stehenden Straftat bezichtigen – von Aktivisten der Linken über frühere Drohbriefschreiber bis hin zum israelischen Geheimdienst scheint also alles möglich. Die deaktivierte Alarmanlage sowie das Fehlen jeder Kampfesspuren weisen darauf hin, dass der Tote seinen Mörder gekannt haben könnte.
Wenige Spuren zunächst, aufgrund der politischen Brisanz sind schnelle Ergebnisse ebenso angesagt wie kleinteilige Basisarbeit: Kontakte überprüfen, Personal, Freunde, Nachbarn und Geschäftspartner, dazu die Überprüfung von Telefonaten, Kontenbewegungen und möglichen außerehelichen Aktivitäten. Und eben die finden sich, und zwar immer dann, wenn seine Frau allmonatlich die Villa verließ, um ein paar Tage im Ferienhaus zu verbringen. Dass Born auf seinem PC nicht nur eine umfangreiche Sammlung entsprechender Filme und Bilder besaß, sondern sich bei Abwesenheit seiner Frau von einem Escort-Service regelmäßig mit schwarzafrikanischen Nutten versorgen ließ, überrascht die Ermittler dann aber doch... Bei der Recherche einer Telefonnummer, von der Born kurz vor seinem Tod einen Anruf erhielt, stoßen sie auf einen kroatischen Kriminellen, der für den Escort-Service als Chauffeur gearbeitet hat – bedauerlicherweise erhält auch er kurz darauf eine lebensbeendende Säurebehandlung. Schäfer und Assistent Bergmann können die Beseitigung ihres wichtigen Zeugen nicht verhindern, sind dem Täter aber immerhin so dicht auf den Fersen, dass Bergmann sich Schussverletzungen einhandelt und Schäfer beim Blick in einen Pistolenlauf Glück hat, dass der Unbekannte die Flucht vorzieht. Ein am Tatort zurückgelassenes Haar führt die Ermittler schnell zum Flüchtigen, bei dem es sich nach DNS-Analyse jedoch um einen bereits vor Jahren umgekommenen Schwerverbrecher handelt, mit dem Major Schäfer ganz spezielle Erinnerungen verbindet...
Parallel zu diesem Fall beschäftigen drei weitere Ermittlungen Schäfers Team: der Mord an einem auf einem Autorasthof pausierenden LKW-Fahrer, der Mord an einem türkischen Mädchen sowie ein Einbruch, bei dem die Kollegen von der Spurensicherung ebenfalls auf Säurespuren stoßen – ob und wie diese vier Fälle zusammenhängen, soll an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden. Gesagt sei nur: ein spannendes, dramatisches, minutiös dokumentiertes Ende!
Georg Haderer Foto: Petra Schneemann
»Der bessere Mensch« vereint erneut alle Stärken, die schon die vorangegangenen Krimis von Georg Haderer zu guten, spannenden, durch die Seiten ziehenden Kriminalromanen gemacht haben. Die Story ist gut konstruiert und schlüssig, Schritt für Schritt werden die Puzzleteile zunächst kunstvoll verstreut, um sie später schlüssig zusammenzufügen. Haderer schreibt detailliert und in gelenkem, unaufgeregten Stil, sichere Dialoge, glaubwürdige Charaktere und eine mal feine, mal überdeutliche Ironie runden das Bild ab.
»Der bessere Mensch« hat eine Schippe draufgelegt und fährt noch zweigleisiger, als dies bei seinem Vorgänger »Ohnmachtspiele« der Fall war. Den eigentlichen Ermittlungen zur Seite gestellt ist eine zweite Ebene, Haderer legt noch stärkeres Augenmerk auf die Konstitution des Ermittlers. Schon im letzten Buch litt Major Schäfer unter Depressionen und Panikattacken, die seiner Arbeit alles andere als dienlich waren. Wirklich gebessert hat sich sein Zustand nicht: Schäfer steht total neben sich, verfällt in Tagträume und Abschweifungen, handelt irrational, gefährdet damit sich und andere – und auch mit den Vorschriften des Jobs eckt er nicht gerade selten an. Gegen die im Wechsel auftretenden Aggressionsschübe und euphorischen Phasen nimmt er zwar Tabletten, aber der Erfolg ist zweifelhaft; regelmäßig konsultiert er einen Therapeuten, aber auch der kann das den Eindrücken im Job geschuldete Chaos im Kopf nicht beseitigen. Und auch die auf unsicheren Beinen stehende Beziehung zu Staatsanwältin Isabelle, die zur Zeit in Den Haag weilt, gibt ihm nicht wirklich Halt. Alles in allem ein Mann, der nicht nur langsam den Boden unter den Füßen verliert, sondern bereits dabei ist, sich in einer gänzlich eigenen Welt häuslich einzurichten: »Aber was sollte er dagegen tun? Er hatte schließlich keinen zweiten Polizisten im Kopf, der ihm sagte: Obacht, Schäfer, Dopamin und Serotonin im kritischen Bereich, Arbeit einstellen, nach Hause fahren und Baldriantee trinken. Das war ja kein Ausschlag, den er auf seiner Haut betrachten konnte ... das war in ihm ... das war er selbst.«
Nicht nur viele der Protagonisten, auch viele Krimileser sind nicht nur Trieb-, sondern vor allem auch Serientäter. Georg Haderers Serie um Major Schäfer kommt da mehr als gelegen und muss wegen dringendem Tatverdacht unbedingt fortgesetzt werden!