Patrick Leigh Fermor: Mani. Reisen auf der südlichen Peloponnes. Zürich: Dörlemann 2010. 480 Seiten, 21,90 € »Verlag »amazon
Michael Obert: Chatwins Guru und ich. Meine Suche nach Patrick Leigh Fermor. München: Malik 2009. 288 Seiten, 19,95 € »Verlag »amazon
Eberhard Rondholz: Griechenland. Ein Länderporträt. Berlin: Chr. Links 2011. 208 Seiten, 16,90 € »Verlag »amazon
Griechenland im Herbst Impressionen mit Patrick Leigh Fermor
Spätestens am Nationalfeiertag, dem 28. Oktober, der dieses Jahr auf einen Freitag gefallen ist, endet die Saison auf den griechischen Inseln. Wer jetzt noch als Tourist unterwegs ist, der wird von manchem Griechen mit Kopfschütteln bedacht. »Was wollen die jetzt noch hier? Können die nicht im Sommer kommen?« Dieser Nationalfeiertag, der Epétios tou Ochi (also: Nein-Tag), wird als Tag des Widerstandes gegen die Faschisten gefeiert. In erster Linie erinnert er an die Ablehnung des italienisches Ultimatums vom 28. Oktober 1940 und den Kriegseintritt Griechenlands. Im weiteren Sinn gegen die nazideutsche Besatzungs- und Unrechtszeit.
Im Sommer 2011 ist das lange Leben des 1915 geborenen, englischen Schriftstellers Patrick Leigh Fermor zu Ende gegangen, der wie kein anderer sowohl in diesen Widerstand gegen die Deutschen involviert war, als auch als Kenner der griechischen Geschichte und Reisender durch die griechische Landschaft berühmt wurde. Die Fermor-Fans warten auf den dritten Teil seiner Jugend-Wanderung von Holland nach Konstantinopel, das erst wenige Jahre zuvor in Istanbul umbenannt wurde. Da er sich gar nicht die reelle Stadt sondern einen imaginären historischen Ort zum Ziel setzte, nannte er die Stadt konsequent bei ihrem griechisch-byzantinischen Namen. Ob und wann dieser Band erscheint, bleibt ungewiss.
An diesem Freitag, dem 28. Oktober, endet also die Saison, die trotz Schuldenkrise erfolgreich verlaufen ist, kamen doch die Touristen zahlreich nach Griechenland. Einige mehr sogar, die sich wegen des Umbruchs in der Arabischen Welt nicht nach Ägypten oder Tunesien getraut hatten. Aber nicht die erfolgreiche Tourismus-Industrie, sondern die horrende Staatsverschuldung und die Unfähigkeit von Politik und Gesellschaft, entschlossen zu handeln, stehen in diesen Monaten im Fokus. Das klassische, das urwüchsige Griechenland mag man darüber vergessen. Und wenn man einige griechische Städte und ihre Neubau-Geschwüre gesehen hat oder die rasch hochgezogenen und ebenso rasch verfallenden Ferienanlagen an den Küsten, dann kann man den Griechen nur raten, sich auf diese Urwüchsigkeit und Einfachheit zurück zu besinnen.
Von einer solchen urwüchsigen Landschaft, der Mani, berichtet Patrick Leigh Fermor. Es ist eine raue, unzugängliche Halbinsel, eigentlich nur ein Fingerglied der Peloponnes. Gebirge erschweren die Zugänglichkeit. Und die Bewohner der Mani scheinen von der Welt genauso wenig wissen zu wollen wie sie von ihnen. Aber gerade diese Abgeschiedenheit reizt den Reisenden auf seiner Suche nach einem Stückchen Byzanz, das sich über die Jahrhunderte hier erhalten haben mag. Hier, wo finstere Clans sich seit je bekriegt haben, in Türmen verschanzt auf ihren Nachbarn gewartet haben, um ihn endlich umbringen zu können. Zugegeben, der Reisebericht, der jetzt erschienen ist, stammt aus dem Jahr 1958. Auch die Mani hat sich wie andere unzugängliche Gebiete gewandelt. Dennoch spürt man die Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen umso mehr, wenn man die Episoden liest, die der Reisende darin schildert. Immer auf der Suche nach dem Außergewöhnlichen, fast Abstrusen, das er aber immer in größere Zusammenhänge bringen oder in historische Prozesse einordnen kann, wie tief sie auch in den teils verschütteten Schichten liegen mögen. Das andere Moment der Reise ist die üppige Gastfreundschaft, auf die er trifft und die sich umgekehrt zur Kargheit der Landschaft verhält. Immer ist er der willkommene Gast, selbst am unwirtlichsten Ort. Immer findet sich noch ein Helfer, der ihn selbst zur entlegensten Grotte schippert.
Zu den Fermor-Fans gehört auch der deutsche Reiseschriftsteller und Journalist Michael Obert. In dem eher persönlichen Buch »Chatwins Guru und ich« schildert Obert eine Reise von Wien durch Südosteuropa auf die Mani-Halbinsel und den Versuch, sein Vorbild Leigh Fermor aufzufinden. Zunächst muss er, der beim Aufbruch nur eine vage Ortsangabe besitzt, Halbeuropa durchqueren. Allerdings versucht Obert erst gar nicht, den Weg wie sein Meister zu Fuß zurückzulegen. Beschwerlich genug ist die Reise dennoch und hat viele schöne Momente in der Begegnung mit Einheimischen, die über ihre aktuelle Lage Auskunft geben. Auch wenn Obert als eine Art Groupie etwas übertrieben wirkt, seine Suche hat Erfolg und schließlich trifft er den Mann, der zurückgezogen in einem klosterähnlichen Steinhaus lebt. Übrigens: Leigh Fermor war Mentor des bekannten Reiseschriftstellers Bruce Chatwin und sie beide verband eine innige Freundschaft. Unweit von diesem Ort ist Chatwins Asche beigesetzt. Chatwin, der kurz vor seinem Tod noch zur griechisch-orthodoxen Kirche konvertierte, hatte eine einsam gelegene Kapelle als letzten Ort ausgewählt.
Was ist von dieser ursprünglichen Landschaft geblieben, die Leigh Fermor vor 50 Jahren beschrieben hat, fragt man sich am Hotel-Pool. Unbeheizt lädt er jetzt nicht mehr zum Bad ein. Die Einheimischen haben in den letzten Tagen ihre Läden winterfest gemacht. An diesem 28. Oktober wirkt alles wie ausgestorben. Das urwüchsige Griechenland, wir vermissen es. Aber ohne Frage, eine zukunftsträchtige Perspektive ist das für ein EU-Land nicht. Die Langsamkeit entdecken, die Entschleunigung - vielleicht für den Touristen. Auf anderen Gebieten muss das Land beschleunigen: die Wirtschaft fördern, die Steuern eintreiben, die Solar- und Wind-Energie nutzen, Vermittler sein zum großen Nachbarn Türkei.