Kevin Power: Bad Day in Blackrock Simon & Schuster £ 7.99
Kevin Power: Die Letzte Nacht Des Sommers Kiepenheuer & Witsch € 8,95
Foto: Steve Gallagher
Aus dem Leben der »Brookfield Boys«: Das außergewöhnliche Debüt des irischen Autors Kevin Power
In fiktionaler Form verarbeitet das Werk des heute dreißigjährigen Autors Ereignisse aus dem Jahr 2000. Damals starb ein UCD-Student nach einer Disco-Nacht in Donnybrook durch Schläge und Tritte dreier Kommilitonen. Der Fall erschütterte Dublin, Irlands Medien waren beim Prozess nah dran. Allein das und Powers klare, treffende Prosa fesseln. Kevin Powers Intention ging nach dem Tod eines 18-Jährigen aber viel weiter: Sein Ich-Erzähler seziert geradezu das Schulsystem der irischen Eliten, ihr Selbstverständnis und damit einen ganz besonderen kulturellen Hintergrund, der selten öffentlich thematisiert wird.
Rekonstruktion der besonderen Art
»This is an Irish story. Remember that. You have to be Irish to understand why it matters, why it makes a difference«, betont der Ich-Erzähler sehr früh in der Rekonstruktion des Falls. Schnell ist klar, dass es ihm um das ganz spezielle Umfeld der Handelnden geht, County South Dublin als Heimat der beschriebenen irischen Middle Classes und Eliten. Fast alle Figuren haben dort ihre Wurzeln. Gleichzeitig ist »Bad Day In Blackrock« alles andere als ein klassischer Krimi oder Thriller. Der Tod des 20-jährigen Conor Harris in einer August-Nacht des Jahres 2004 steht am Beginn der Erzählung, auch seine drei Mitstudenten am University College Dublin sind schnell als Täter entlarvt. Richard Culhane, Rugby-Star und Mädchenschwarm, befindet sich bald im Zentrum der Rekonstruktion. Dem Leser wird früh klar, dass der entscheidende, tödliche Tritt von ihm gekommen sein muss. Das Bindeglied zwischen Opfer und Tätern heißt Laura Haines. Conors Ex-Freundin ist am UCD die Partnerin von Richard Culhane, eine gemeinsame Vergangenheit haben die Studenten durch ihr Rugby-Team.
Fiktiv sind die Namen der Dubliner Privatschulen (Brookfield College, Merrion Academy und Ailesbury College), alle Hauptpersonen des Romans haben diese vor ihrer Zeit am UCD besucht. Ziemlich offensichtlich funktioniert das Leben der männlichen Schüler an der Rugby-Kaderschmiede Brookfield College als Spiegelbild für Dublins Elite-Schule Blackrock College. »It is harder to get into Brookfield than to get into Oxford«, lässt der Erzähler wissen. Akademische Karrieren und Führungspositionen sind in den Lebensläufen der Absolventen beinahe selbstverständlich. Rugby und die Teams nationaler Bedeutung an College und UCD spielen eine zentrale Rolle, der gemeinsame Trainer Pat Kilroy ist dabei für die »Brookfield Boys« eine wichtige Bezugsperson, auch nach der Tat.
Auffällig ist, wie sehr der Ich-Erzähler in kurzen Episoden die materialistische Einstellung dieser Schüler und Studenten betont, ihre Familien bilden gleichzeitig ein puritanisch geprägtes Umfeld. Ein Beispiel: Selbst der zehn Jahre alte Audi 800 des Vaters ist dem späteren Opfer Conor Harris zu alt und schäbig, um sich damit vor dem College absetzen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt ist Harris 13 Jahre alt. Gleichzeitig wird gerade er als eher zurückhaltende Randfigur der im Roman beschriebenen elitären Kreise beschrieben. Der »keltische Tiger« ist in diesem Werk nicht explizit genannt, der hemmungslosen Konsum dieser Jahre wird jedoch detailliert beschrieben . »They were rich in a country that didn't know what to do about wealth«, beschreibt der Erzähler die Situation der »Brookfield Boys«, auch er selbst hat diese Zeit miterlebt und beschreibt sie mit den Worten »We weren't used to it«. Eine direkte Aufarbeitung der Jahre des Booms und der Gier ist »Bad Day In Blackrock« nicht, im 2008 erschienenen Debüt ging es Kevin Power um eine Beschreibung der irischen Eliten aus Dublins Süden. »Die Privatschul-Absolventen formen dort ihre eigenen Societys«, beschreibt der Autor im Podcast des Verlags Simon & Schuster das Leben am UCD der Jahrtausendwende. Er selbst war an dieser Uni frisch eingeschrieben, als der Tod eines Studenten aus diesen Kreisen letztlich die Vorlage für sein späteres Debüt lieferte.
Erzähltechnik, Inspiration und Wirkung
Bis zum Schluss fragt sich der Leser, wer dieser Ich-Erzähler (»This is the only story I will ever be able to tell«) ist, was ihn zu seiner akribischen Aufarbeitung des Falls treibt. Ganz bewusst hat der Autor hier einen Ich-Erzähler gewählt, der selbst ein Stück außerhalb der Handlung steht und keine der beschriebenen Figuren ist. Besondere Intensität erhalten dessen Erzählungen durch ein stetiges Wechseln der zeitlichen Ebenen, eine simple Chronologie der Ereignisse ist der Roman an keiner Stelle. Die Auflösung zur Identität dieses Erzählers gibt es tatsächlich erst im letzten Moment. Elemente eines Tatsachenromans hat »Bad Day In Blackrock« auf jeden Fall, interessant sind zudem die drei Romane, die Kevin Power als Inspiration für Werk und Erzähltechnik nennt: F. Scott Fitzgeralds »The Great Gatsby«, »The Virgin Suicides« von Jeffrey Eugenides und Joan Didions »A Book Of Common Prayer«.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Print-Magazin irland journal