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5. Oktober 2012 | Robert Mattheis für satt.org |
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Gold klauen und Blech reden. Andreas Niedermanns Roman Goldene TageEine der goldenen Regeln für Hollywood-Drehbuchautoren verlangt, dass der Held irgendwo auf seinem Weg auf einen weisen Alten stößt, der ihn mit den Mitteln – dem Elixier, der Wünschelrute oder dem Gral – ausstattet, die er braucht, um sein Abenteuer zu bestehen. Aufgestellt wurde sie von Joseph Campbell, der dazu angeblich sämtliche Mythen der Welt durchforstete. Der ironische Gedanke, auf dem Goldene Tage fußt, lautet: Was, wenn der weise Alte ein alter Blödmann ist? Der Held in Goldene Tage heißt Rambo Rimbaud.
Ich muss sagen, dass mich der Name spontan begeistert hat. Rambo und Rimbaud – zwei Archetypen moderner Legendenbildung, die die Gemeinsamkeit teilen, die Verlogenheiten der Zivilisation nicht ausgehalten zu haben, und die auf je unterschiedliche Weise in die Martialität geflüchtet sind. Rambo Rimbaud Andreas Rambo Rimbaud ist ein Niemand, ein Underdog und Herumtreiber, der einem Roman von Jack Kerouac oder Céline entsprungen sein könnte, oder einer Kurzgeschichte von Blaise Cendrars – ein Namenloser, der von einem Schriftsteller namens Andreas Rambo Rimbaud getauft wird. Wir erleben die beiden vor dem Hintergrund der achtziger Jahre; es ist die Zeit der Jugendunruhen, Häuserbesetzungen und Straßenschlachten. Andreas kann jede Menge trinken, weiß auf alles eine Antwort – zur Not gibt er sie mit seinen Fäusten. Er war einmal ein bekannter Schriftsteller, nun ist er publikumsmüde, schreibt nur noch für sich selbst, tippt auf seiner IBM Bücher, die er in sein Regal stellt, damit er auch mal was Gutes zu lesen hat. So erfrischend und unterhaltsam Rambo Rimbaud erzählt – schnell, flott, salopp und tatsachensatt –, so haarsträubend überzogen fallen die Passagen aus, in denen – aus verzweifelter Ambition – Andreas den Ton angibt. Ich glaube, der einzige Grund, warum Rambo Rimbaud diese ganzen haarsträubenden Tiraden des väterlichen Bevormunders erträgt, ist, dass er ein Simplicissimus ist – und das auch weiß. Am liebsten wäre er ein Mitglied der Fremdenlegion, aber dafür fühlt er sich zu unbescholten, zu unbeleckt. Man muss etwas auf dem Kerbholz haben, so Rambos Privatphilosophie, bevor man sich auf die Seite der Outlaws schlagen darf, die immer die hübschesten Huren abbekommen. (Eine Menge Pubertät steckt im ganzen Buch, oh ja, viel Gärung, und das erscheint auch gerechtfertigt, denn immerhin ist es ein Entwicklungsroman, oder sagen wir besser: ein Bildungsroman.) Gleich mit zwei Frauen nicht zusammen Ein Frage, die der Roman Goldene Tage um und um wendet, lautet: Was ist ein Künstler? Rambo Rimbaud, der gleich mit zwei Frauen nicht zusammen ist, mit einer von ihnen aber wenigstens ein Kind zeugt, modelliert in seiner Küche sexuelle Plastiken aus Gips – Brüste, Vaginen, Penisse. Später gehen sie beim Abbruch seines Hauses verloren. Im Subtext – und dies macht den Roman zu einem Stück echter, großer Literatur – handelt Goldene Tage davon, wie man mit der Vergangenheit umgeht. Was, wenn irgendwelche im Hirn festgefressenen Ansichten über Literatur, Leben und Laster das Talent lähmen? Am Ende emanzipiert sich Rambo Rimbaud von seinem Namensgeber. |
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