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8. November 2016 | Meinolf Reul für satt.org |
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Du musst dein Leben gendern.
Antje Rávic Strubel ist in den letzten Jahren u.a. als Übersetzerin Joan Didions und Lucia Berlins hervorgetreten, sie hat „Gebrauchsanweisungen“ für Schweden sowie für Potsdam und Brandenburg verfasst, denen in diesen Tagen eine fürs Skifahren folgen wird. Strubel verwendet innerhalb der großen Form des Romans die kleine Form der Paargeschichte (die Paarkonstellation wird nicht strikt gehandhabt) und kombiniert sie mit ebenso knappen wie eindrucksvollen Landschaftsbeschreibungen. Die Natur dient hierbei auch, eher beiläufig, als externalisierter Prospekt innerer Befindlichkeiten. Das Motiv der Grenze oder Kontur, mitsamt der Implikationen und Komplikationen von Respektierung, Überschreitung, Auflösung, Entgrenzung, Zusammenlegung, wird von Strubel variantenreich aufgegriffen und als Fragestellung an die Protagonisten zurückgespielt: „Wozu haben wir das Individuum erfunden, wenn wir seine Möglichkeiten vereiteln?“ Die fixe Idee, festlegen und einordnen (und einnorden) zu müssen, so legt Strubels Roman nahe, hat sich mittlerweile vielleicht erledigt und es ist Zeit für fluide Ideen. Allein, die Grenze – im Sinne auch einer Definition des Selbst und des anderen – wird zum Streitfall, wo Freiheitswunsch und Machtanspruch aufeinandertreffen. Die Freiheit des Einzelnen, theoretisch unbestritten, wird in praxi nicht unbedingt gutgeheißen, unter Umständen gar als Bedrohung wahrgenommen und bekämpft. Auch davon erzählt Strubel. Nicht zuletzt erprobt der Roman eine Sprache des Begehrens jenseits des heterosexuellen Modells. (Queerer) Sex, Sinnlichkeit, erotische Spannung werden gefeiert und auch als heilsam erfahren. In „Hotel Advokat“ findet der Sex im Kopf statt, die Erzählung selbst blendet ihn aus. Eine soeben vergangene oder unterbrochene Liebesgeschichte wird halb überdeckt, eine neue erzählt, eine dritte vorbereitet. Diese Bewegung und Verwandlung des Liebens, der Genuss, die Herausforderung und der Verdruss daran, zieht sich durch den ganzen Roman. Sie selbst ist nicht episodisch, sondern fundamental und dauernd. Mit In den Wäldern des menschlichen Herzens ist Antje Rávic Strubel ein sprachsinnlicher Roman gelungen, der als dezidiert literarischer genderpolitischer Debattenbeitrag gelesen werden kann. Die Episoden: Der Anfang von etwas – Der weiße Felsen – Im Delta – Schnee auf den San Bernardinos – Sonnenbucht – Hotel Advokat – Nachtwache am See – Blühende Wüste – Ohne Mühe fallen – Letzte Gäste – Schwebende Bäume – Fiskbutik – Der Kirschbaum am Ende des Gartens |
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