Nick Cave & The Bad Seeds
No More Shall We Part
Ohne Umwege: Das beste Label unserer Zeit, Mute Records, beschert, beglückt,
erfreut und rührt uns mit einem neuen Nick Cave Album: "
No More Shall We
Part" heißt dieses Wunderding, und es ist erwartungsgemäß ein unglaubliches,
entzückendes, todtrauriges, extrem dichtes Album! Nichts überrascht daran,
keine Frage, denn wir haben es mit Nick Cave zu tun - und dieser wird wohl
kaum plötzlich Techno oder Drum `n' bass machen; und außerdem wissen wir, daß
er der König der Ballade ist, der Meister des Einfachen, die beste Ergänzung
zu einem Piano und einer Blixa-Bargeld-Gitarre. Es ist der gute, alte Cave,
den wir hören dürfen: Er fleht, er bettelt, er predigt, er stellt Elvis als
blutigen Anfänger hin, er brüllt und seufzt, betet und verdammt. Und alles in
12 Liedern. Viel besser noch: Kein Ausrutscher ist dabei, nichtmal für
Sekunden. Er weiß, wann der Männerchor sonor zu singen hat, er weiß, wann er
Frauenstimmen einsetzen muß, er weiß, wie eine Geige machen sollte, er weiß,
was es heißt, alles zu können und doch mit Abwechslung zu überraschen. Es ist
eine Gnade, wenn er antäuscht, dann verharrt, um uns Sekunden später doch ein
Beinchen zu stellen.
3 lange Jahre hat Cave uns auf dieses Album warten lassen, denn 1997 erschien
das letzte reguläre Album titels "
The Boatman's Call"; zwischenzeitlich war
Cave aktiv am Meltdown-Festival in London beteiligt, präsentierte weltweit
seinen Workshop "The Secret Life Of The Love Song" und schrieb seine
Betrachtungen zum Markus-Evangelium nieder.
Das Rückgrat der "bösen Saat" sind weiterhin Mick Harvey, Blixa Bargeld und
Thomas Wydler, Martyn Casey, Conway Savage und Warren Ellis; diesmal ergänzt
durch die sensiblen Damen Kate & Anna McGarrigle (Adios, Kylie!) -
befürchtete personelle Veränderungen sind damit ausgeblieben. Zahlenmäßig
gesehen arbeitete Cave allerdings mit einer Fußballmannschaft an dem neuen
Werk; übrigens erneut an heiligem Ort: den Abbey Road Studios in London.
Es sind - und das sollte gesagt sein - überwiegend Balladen, die sich
zwischen Brutalität und Sentimentalität hin- und herhangeln; nur manchmal,
aber dann enorm, springt den Hörer die geballte Kraft der Bad Seeds an - mit
Volldampf voraus in den Euphorie-Kick! Cave sucht seine Religion, sucht seine
Liebe, seinen Gott und sein Schicksal; er beschreitet - metaphorisch oder
nicht - den Weg seiner schmerzlich erfahrenen Irrtümer; seine Beine auf
diesem Weg sind das Piano und die Orgel und eine wunderbare, zurückhaltende
Band. Ich hoffe sehr, er kommt noch lange nicht an seinem Ziel an!