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Mai 2001
Jochen Müter
für satt.org

Depeche Mode:
Dream On

Mute Records

23. April 2001


Depeche Mode: Dream On (Remix)


Links:
www.depechemode.com
www.repriserec.com

Hallo, Depeche Mode,
herzlich willkommen in meinem CD-Player!

Mein Verhältnis zu Depeche Mode war jahrelang gespalten: Auf der einen Seite konnte ich es nicht lassen, heimlich ihre Platten zu hören; auf der anderen Seite waren und sind Depeche Mode die Lieblingsband meines großen Bruders - und natürlich will man ein pubertierender Jüngling mit Charakter sein und sich auf keinen Fall über die Lieblingsmusik der zeitweise verhassten Geschwister definieren. Heute habe ich ein nicht mehr ganz so weiches Rückgrat und stelle ohne Umschweife fest: Die Alben dieser Ausnahmeband sind großartig! Depeche Mode sind der Beweis, daß Reife nicht unbedingt in Altklugheit, sondern durchaus auch in jahrelanger Vorreiterschaft und Innovation enden kann. Wenn man sich vorstellt, welche bombastische Entwicklung diese Band gemacht hat, ohne auch nur einmal musikalisch schlapp zu machen, dann kann man vor Martin Gore, Dave Gahan und Andrew Fletcher tatsächlich nur den wohlbekannten Hut ziehen. Sie haben elektronische Musik über die Welt gestreut und massentauglich gemacht, ohne dabei an Faszination zu verlieren oder sich extrem dem Ramsch hinzugeben - im Gegenteil: Musikalisch sind sie mit den letzten beiden Alben eher unkommerzieller, verworrener und komplizierter geworden.
Doch will ich mir für die Rezension der Remix-Maxi zur Single "Dream On" meine Ansichten zur Band noch eher sparen, denn bald (am 14.05.01) wird das offizielle Album "Exciter" in den Läden stehen - und natürlich wird es auf diesen Seiten dazu eine weitere, ausführliche Rezension geben. Wir dürfen gespannt sein.

Remixe haben in der Geschichte der Band immer schon eine große Rolle gespielt; eine Unzahl von Remix-Vinyls, die sich inzwischen in meinem Plattenschrank befindet, beweist das. Der musikalische Kopf der Band, Martin Gore, hat immer schon penibel auf Qualität geachtet - und so manche Remix-Version älterer Depeche Mode Stücke hat inzwischen einen ebenso großen Kultcharakter bei den Fans wie die Single selbst. Dabei werden Remix-Versionen immer eine streithafte Sache bleiben. Braucht man sie nur, um die Spielzeit einer CD vollzukriegen oder haben sie tatsächlich einen musikalischen Wert? Bei vielen Bands würde ich sagen: Hätte man besser weglassen können! Bei Depeche Mode ist das anders: Ihre Remixversionen sind in der Regel sehr schwierige, vertrackte Stücke, die die Originalversion in ein komplett anderes Licht tauchen.
Genauso ist es auch bei der Remix-Maxi zu "Dream On". Neben dem originalen Stück, einer inzwischen wahrscheinlich schon durchs Musikfernsehen bekannten Uptempo-Nummer mit einem unglaublich eingängigen und doch einfachen country-psychodelischen Gitarrenlauf, finden sich 4 Remixe auf dem Silberling. Und jeder für sich ist ein kleines Meisterwerk, dem man hohe Aufmerksamkeit und eine gute Stereoanlage schenken sollte. Nummer eins, der "Bushwacka Tough Guy Mix", stellt den Song in ein puristisches Dance-Ambiente und arbeitet dabei mit sehr feinen elektronischen Sounds; der Gitarrenlauf ist hier verschwunden, was dem Stück jedoch nichts an Intensität nimmt. Die "Dave Clark Acoustic Version" setzt voll auf den trancigen Effekt der Gitarre, läßt den Gesang vollends raus und arbeitet im übrigen mit sanft-peitschenden Naturdrumloops, deren Monotonie dem Stück die optimale Zeit zum Entwickeln lassen und dem Hörer die Gelegenheit geben, sich vollends auf die typische Depeche Mode Gitarre einzulassen; dieses Stück ist sicher immer noch ein Politikum für Fans, die ihre Lieblingsband lieber wieder ohne Gitarren sähen, was ich inzwischen für undenkbar halte. Der "Octagon Man Mix" lebt von seinen Effekten bezüglich außergewöhnlicher Drumsounds und einiger unerwarteter Harmoniewechsel; er ist sanft und blubberig und macht keinen Halt vor einigen humorvollen Einlagen.
Letztenendes folgt mit dem "Kid 606 Mix" eine mit Vocoder arbeitende Version, die ebenso wie der vorausgegangene Track auf der Atmosphäre ausgeklügelter Flächen basiert. Hier wird es einen Touch naiv und unschuldig, ein bißchen plastikhaft und zappelig. Ein schönes Ding!

Eine kurze Zusammenfassung sei erlaubt: Wer sich der Band von ihrer unpopulären und schwierigen Seite nähern mag, wer auf intelligente und moderne elektronische Musik steht, und wer eh Spaß an Remixen hat, der sollte ohne diese Platte seinen Lieblings-CD-Shop auf keinen Fall verlassen.