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Juni 2001
Thomas Vorwerk
für satt.org

Depeche Mode:
Exciter

Mute Records 2001

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Depeche Mode: Dream On
Das letzte Depeche Mode-Album habe ich 1997 besprochen, und auch, wenn sich die Begeisterung, die ich Mitte der Achtziger für diese Band empfand, nie wieder einstellen wird, ist auch die neue Scheibe durchaus hörenswert. Die Gitarren, die manche Leute schon zum typischen Sound der Band zählen, werden hier sehr zurückgenommen, stattdessen läuft vieles sehr sphärisch ab. Die Melodien erschließen sich bei manchen Songs erst nach mehrfachem Hören, setzen sich dann aber umso erbarmungsloser in den Gehörgängen fest. Mein absoluter Lieblingssong ist “Freelove”; obwohl mich eigentlich mit der dort propagierten Form des Zusammenseins wenig verbindet, möchte ich bei “no hidden catch, no strings attached” am liebsten immer mitsingen, vielleicht auch, weil bei meinen amourösen Verirrungen und -wirrungen eigentlich immer ein paar angerostete Angelhaken im Herzen hängenbleiben, ich darauf aber auch gern verzichten könnte. Aber das wird schon wieder sehr persönlich.

Wie bei Blumfeld mal ein kleiner Durchlauf: Die Single “Dream on” hat sich mittlerweile als sehr gelungen erwiesen, nachdem ich beim ersten Betrachten des Videos dachte, ich hätte mich in einen Muzak-Fahrstuhl verirrt. So ähnlich ist es bei vielen Songs auf “Exciter”, wenn man ihnen ein wenig Zeit läßt, beißen sie sich auch fest, wenn man nicht darauf reagieren will, begibt man sich nicht in Gefahr. Nach dieser Einführung könnte ich eigentlich nicht einfach behaupten, daß “Shine”, der zweite Song, dann doch etwas zu weichspülermäßig ist, aber ich widerspreche mir ja immer gerne selbst. “The Sweetest Condition” erinnert an einige ältere Songs, könnte vielleicht auf “Music for the Masses” passen, doch dummerweise ist das die Platte, die ich am wenigsten mag, weil ich etwa “Never let me down again” erst zu schätzen gelernt habe, als die Smashing Pumpkins das gecovert haben.

“When the Body speaks” ist nicht die langerwartete Dance-Nummer, sondern noch langsamer und verschmuster, fast schon wie “Somebody”. Doch mit “Dead of Night” folgen dann auch endlich die aufjaulenden Gitarren und ein halbschnell peitschender Drumcomputer (behaupte ich jetzt mal einfach so), nur um dann wieder drei Gänge zurückzuschalten. Hatte ich die Smashing Pumpkins in dieser Besprechung schon erwähnt? Hier ist man nah dran, wenn natürlich auch die “frei ab 12”-Version.

Das “Lovetheme” (vier von 14 Songs haben übrigens die liebe schon im Titel) ist ein kurzes Instrumental, das man eher als Bonus-Track auf einer Maxi vermuten würde, dann folgt das bereits zur Genüge umschwärmte “Freelove” und “Comatose”, sowohl thematisch als auch musikalisch an die Sampler-Zeiten und “Blasphemous Rumours” erinnernd. “I feel loved” ist dann der erste wirkliche Dance-Track und als solches auch eine Offenbarung, wenn auch immer noch etwas sparsam im Arrangement, und nicht ganz so sperrig, wie ich es mir wünschen würde. Ungefähr im Stil von “Stripped”.

“Breathe” ist auch so ein Titel, bei dem man sich einbildet, man kenne ihn schon mindestens zehn Jahre, könnte aber auch daran liegen, daß es sich mal wieder um den obligatorischen von Martin Gore gesungenen zähflüssigen, honigsüßen Verschnaufer handelt, währenddessen bei Konzerten immer die Feuerzeuge angemacht werden und Dave Gahan backstage schnell Traubenzucker und Red Bull mischt, bevor er sich völlig verausgabt. “Easy Tiger” ist noch so eine Zwei-Minuten-Fingerübung, wie man sie eigentlich von Alan Wilder-Soloalben kennt. Naja, im Detail betrachtet ist die Platte vielleicht doch nicht so gut wie einige Einzeltracks es einem glauben machen.

Doch, wie sollte es anders sein, Song 12, “I am You”, ist zwar auch eher einschläfernd, aber trotzdem sehr gelungen. Eine Tendenz, die sich auch in den letzten zwei Tracks (vor den Remixes von “Dream on”) bestätigt.

Fazit: “Exciter” könnte ein bombastisch gutes 30-Minuten-Album sein, doch mit über 76 Minuten ist es einfach nicht so überzeugend, wie man es nach drei Jahren erwarten könnte. Anfang der Achtziger veröffentlichten Depeche Mode ihre Alben nahezu jährlich, und diese Tonträger können vor meinem Gehör heute noch bestehen, und das nicht nur aus nostalgischen Gründen.