Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




Juli 2001
Thomas Vorwerk
für satt.org

Air:
10.000 Hz Legend

Record Makers/Virgin 2001

Zur Bestellung bei amazon.

Zur Bestellung
bei amazon
Das zweite reguläre Album der französischen Band (den "Virgin Suicides"-Soundtrack nicht mitgezählt) zeigt erneut deren Unvorhersehbarkeit. Der Opener "Electronic Performers" beginnt ganz herkömmlich, wie einige Songs auf "Moon Safari", melodisch einschmeichelnd, um dann irgendwo zwischen Depeche Mode und den Chemical Brothers zu verharren, plötzlich Klaviertöne anklingen zu lassen und einen an Kraftwerk erinnernden "Gesang" zu präsentieren. "How does it make you feel?" geht wieder einen Schritt zurück, bringt die Voice-Box zu sehr ruhigen Beats, um dann einen Refrain anzustimmen, der aus dem Werbefernsehen der Siebziger stammen könnte. Doch es kommt noch krasser, denn beim dritten Track, "Radio #1", hört man zwar sofort das für die Band charakteristische Moment, fühlt sich aber nebenbei an das Electric Light Orchester an Radio-Jingles der verstaubtesten Art erinnert. "The Vagabond" ist offensichtlich von irgendeiner Beck Hansen-Platte abhanden gekommen, passt aber trotzdem vorzüglich ins Gesamtkonzept, weil inzwischen nahezu alles passen würde. Es folgt eine ambient-mäßige Nummer, die erst spät zum üblichen kristallenen "Easy Listening"-Klangteppich mutiert, den man seit jeher an der Band zu schätzen weiß. Diese Richtung behält man bei, allerdings mit zum Teil weiblichen Sprechgesang, Schreibmaschinen-Samples und wummernden Synthies aus Human League-Zeiten. Dann "Sex Born Poison", leise Gitarrentöne und elektronisch verzerrte Stimmen, bis die Sphärenklänge anschwellen und eine asiatische Frauenstimme den Hörer erneut überrascht, was dann noch weiter getrieben wird, wenn alles bisherige noch durch Sounds unterlegt wird, die ich mich außerstande sehe, verbal zu charakterisieren. Ich denke dabei irgendwie an "Alien Sex Fiend" und "Being Boiled", aber es steckt ungleich mehr dahinter. Es ist einfach glorios, wie die Gruppe einen immer wieder überrumpelt, dabei aber dennoch einen kohärenten Stil beibehält. In "Wonder Milky Bitch" etwa gibt man sich betont amerikanisch, aber weniger im Stil von Beck, sondern irgendwo zwischen Leonard Cohen und Sam Cooke. Es ist wie bei einem mit Schmerztabletten versetzten Sahne-Baiser, der mit Whisky flambiert wurde: man kann diese Musik nicht beschreiben, man muß sie erleben.