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September 2001
Thomas Fick
für satt.org


Electric Light Orchestra:
Zoom

EPC 2001
(Sony Vertrieb)

Electric Light Orchestra: Zoom

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Electric Light Orchestra
Zoom



Es war einmal ein weltweit erfolgreiches Electric Light Orchestra, das massenweise Singles und Alben unter die Leute brachte. Der Startschuß für die Truppe fiel 1971. Jeff Lynne, Roy Wood und Bev Bevan waren diejenigen, die das Projekt in Angriff nahmen. Wenig später stieg Wood aus. Jeff Lynne galt nun fortan als die treibende Kraft bei ELO. Ihm zur Seite standen neben Gründungsmitglied Bevan (Drums) noch Richard Tandy (Piano, Synthies) und Kelly Groucutt (Bass). Diese vier Musiker würde ich als die eigentliche Stammbesetzung von ELO bezeichnen, die von 1975-1984 existierte (Groucutt stieg vor dem 86er Album "Balance Of Power" aus). Darüberhinaus gab es vor allem für die ELO-Werke der Siebziger personelle Ergänzungen.

Bei der Vielzahl an Erfolgsmeldungen in den 70ern und 80ern beschränke ich mich bei der Chartshistory der Band fast ausschließlich auf Deutschland. Und hierzulande ließ man sich erstmals 1973 in den Singlecharts blicken. Das Chuck Berry-Cover "Roll Over Beethoven" erreichte #22. Es sollte fast vier weitere Jahre dauern bis ELO wieder in die Singlehitparade vordringen konnte. In der Zwischenzeit feierte man in den USA und GB Erfolge mit Titeln wie "Showdown", "Can't Get It Out Of My Head" oder "Evil Woman". Diese Songs fielen in Germany noch "durch", ebenso wie die ELO-Alben Nr. 3 - 5 ("On The Third Day" (1973), "Eldorado" (1974) und "Face The Music" (1975)), die vor allem in den Staaten bereits respektable Notierungen erreichten.

Ab 1977 legten aber auch die Deutschen die "Reserviertheit" bzgl. des Electric Light Orchestra ab. Die Single "Livin' Thing" enterte die Top 5. Das dazugehörige Album "A New World Record" (Originalrelease war Ende 1976, aber Deutschland brauchte eben ein bißchen länger …) hielt sich über ein halbes Jahr in den deutschen Charts und schaffte eine Position 7. 1978 ging die Erfolgsgeschichte mit dem Album "Out Of The Blue" in die nächste Runde. Die Doppel-LP warf einen Top 30-Hit ("Mr. Blue Sky" / D #27) ab und gastierte 78 (!) Wochen in der deutschen Hitparade (höchste Plazierung: #6).

1979 schafften ELO fast die selbe Aufenthaltsdauer. Die LP "Discovery" blieb 73 Wochen in der Hitparade, 17 davon in den Top 10. Zwei Top 10 Singles sorgten für den anhaltenden Höhenflug von ELO: "Don't Bring Me Down" (#5) und zu Weihnachten 1979 "Confusion" (#6).

Beim größten Single-Erfolg der Band gab's Unterstützung von Olivia Newton-John. Die Australierin besang den Titel "Xanadu" (1980) aus dem gleichnamigen Soundtrack und die Musik kam von Jeff Lynne's Mannen. Und als Lohn für dieses Joint-Venture gab's eine #1 in der deutschen Singlehitparade. Dem Album "Xanadu" gelang ebenfalls der Sprung nach ganz oben. Die zweite Seite der LP (1.Seite: ONJ) bot insgesamt vier weitere ELO-Songs, von denen "I'm Alive" (#16) und "All Over The World" (#27) als veritable Hits bezeichnet werden dürfen.

ELO schwammen seinerzeit auf einer Welle des Erfolgs. Alles was man anpackte wurde buchstäblich zu Gold. "Out Of The Blue", "Discovery" und auch "Xanadu" erreichten in Deutschland Edelmetall-Status. Dennoch war vor allem Jeff Lynne ob der "seichten" Musik auf dem "Xanadu"-Longplayer nie so ganz wohl gewesen bei der Kooperation mit der schönen blonden Australierin. 1981 sollte es mit dem Album "Time" härtere Klänge geben. Die für ELO typischen Streichereinlagen waren fast völlig verschwunden. Erfolgstechnisch blieb die Band in der Spur. "Time" wurde zur einzigen #1 (außer "Xanadu", aber das zähle ich nicht voll) in Deutschland, allerdings gestaltete sich die Chartsverweildauer mit 41 Wochen schon wesentlich kürzer als bei den beiden vorangegangenen regulären LPs. Auch hierfür kassierte man "Gold". Die Singles "Hold On Tight" (#2) und "Twilight" (#17) mischten die Hitparade ebenfalls noch einmal mächtig auf.

"Time" war auch das Album, mit dem ich ELO kennenlernte. Besser gesagt: Es waren eigentlich die og. Singles, die bei mir auf der "Heavy Rotation" liefen. So um Nikolaus 1981 rum brachte mir dann meine Oma die LP mit *freu*. Mein erstes Konzert folgte dann im Februar 1982 in der ausverkauften Frankfurter Festhalle (das war die Tour mit dem Roboter am Anfang und am Ende). Kommerziell gesehen befanden sich ELO 1981 aber bereits auf einem absteigenden Ast. Die Talfahrt setzte sich dann mit dem Album "Secret Messages" (1983: #6 - nur 17 Wochen in den Charts) verstärkt fort. Die Single "Rock 'n' Roll Is King" schaffte dabei noch einmal den Sprung auf #17.

Knapp drei Jahre später brachte das auf Triogröße (Lynne, Bevan, Tandy) geschrumpfte Electric Light Orchestra mit "Balance Of Power" sein für sehr lange Zeit letztes Werk heraus. Nur noch auf #18 arbeitete sich die LP vor und wies lediglich einen Single-Erfolg in "Calling America" (#31) auf.

Mal ganz ehrlich. Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, 'Tommy, im Sommer 2001 darfst Du auch mal ne Kritik zu einem neuen ELO-Album schreiben', der wäre von mir vermutlich ausgelacht worden. Schließlich betätigte sich der Bandkopf Jeff Lynne in den letzten 15 Jahren seit der letzten ELO-CD eher als Solokünstler (1990: "Armchair Theatre"), als Traveling Wilbury (zusammen mit Tom Petty, Bob Dylan, George Harrison & Roy Orbison) und als Produzent (z.B.: 1987 "Cloud Nine" - George Harrison; "Into The Great Wide Open" (1991) & "Full Moon Fever" (1989) mit Tom Petty; "Flaming Pie" (1997) - Paul McCartney; "Neue" Beatles-Songs "Free As A Bird" und "Real Love" (1994/1995)). Auf eine Wiederbelebung seines Erfolgsprojekts der 70er und 80er spekulierte eigentlich bis vor kurzem niemand.

Es ging also tatsächlich der Traum eines jeden (wahren) ELO-Fans in Erfüllung, als das neue Werk "Zoom" am 11.06.2001 das Licht der Welt erblickte. Denn ELO-Ableger wie ELO Part II brachten zwar in den letzten Jahren (natürlich ohne JL / mit Bev Bevan, Kelly Groucutt, Mik Kaminski, Louis Clark, Eric Troyer und anderen) zwei ganz nette Studioalben heraus (1991: Selftiteled; 1994: "The Moment Of Truth"), in denen die Beteiligten auch den orchestralen Sound von ELO umsetzten, aber als gleichwertigen Ersatz waren ELO Part II nie anzusehen.

Die Musik aus "Zoom" stellt eine Mischung aus "Out Of The Blue", "Secret Messages", dem JL-Soloalbum "Armchair Theatre" (allerdings nur in Grundzügen erkennbar) und dem Output der Lynne/Petty-Ära dar. "Zoom" ist somit ein eher gitarrenbetontes Album geworden, das hier und da einige "Streicheranstriche" bietet. Jeff Lynne legte auf ein abwechslungsreiches Programm wert. Flotte Rock 'n' Pop-Songs wie die erste Single "Alright" (der einzige Song bei dem JL Hilfe eines ehemaligen Mitstreiter, Richard Tandy, in Anspruch nahm), "State Of Mind" (obergenialer Refrain) und "All She Wanted" (Unterstützung gab es von George Harrison an der Slide-Gitarre) erinnern an die Hits "Don't Bring Me Down", "Hold On Tight" oder "Rock 'n' Roll Is King". Dies gelingt ebenso mit dem Song "Easy Money", der irgendwie ganz besonders cool daherkommt (mit Unterstützung von Beatle Ringo Starr an den Drums). An diesen Songs erkennt man bereits deutlich, was den "Ablegebands" fehlte: Die Stimme und die Songwriterqualitäten eines Jeff Lynne's.

Balladen gehören ebenso zum Repertoire des Electric Light Orchestra anno 2001. "Moment In Paradise" (Drums: RS), "A Long Time Gone" (ebenfalls mit GH) aber insbesondere "Just For Love" und "Ordinary Dream" lassen das ELO-Feeling trotz Lynne's Ein-Mann-Show geradezu überschwappen. Daß der Meister mit den Midtempo-Nummern "It Really Doesn't Matter", "Stranger On A Quiet Street" (beide sind für mich neben "Ordinary Dream" absolute Favoriten auf eine weitere Singleauskopplung), "In My Own Time" und "Melting In The Sun" sein Gespür für tolle Refrains und feine (ELO)-Melodien nachdrücklich unterstreicht, überrascht dann überhaupt keinen mehr. Den Schlußpunkt dieses grandiosen Comebacks des Mr.ELO setzt das herrlich schleppende Rockstück "Lonesome Lullaby".

Daß Jeff Lynne "Zoom" nahezu im Alleingang einspielte stört nicht im Geringsten. Dennoch wäre es nett, wenn Lynne wieder seine alten oben erwähnten Stamm-Wegbegleiter (Bevan, Tandy und Groucutt) - sofern sie denn wollen - wieder mit aufs Raumsschiff ELO nehmen würde. Einfach der Vollständigkeit und des Gruppengedankens halber. Wirklich nötig hat er diese Unterstützung freilich nicht. Denn JL lieferte mit "Zoom" endgültig den Beweis der Gleichung ELO = Jeff Lynne nach. Jetzt muß nur noch der Erfolg zurückkommen ….. Bewertung: 1