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September 2001
Thomas Vorwerk
für satt.org


Goldfrapp:
Felt Mountain

Mute Records 2001
(Virgin/EMI Vertrieb)

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Goldfrapp
Felt Mountain



Diese Scheibe, die in manchen Berliner Kreisen als Geheimtip gehandelt wird, ist schon Anfang des Jahres erschienen, aber da man ja nicht immer alles als Promo oder Rezensionsexemplar zugeschickt bekommt, wartet man als preisbewußter Aushilfskritiker eben auf das passende Schnäppchen.

Es ist immer wieder interessant, wie meine Eltern auf meinen Musikgeschmack reagieren. Mein Vater gibt zwar immer gerne damit an, die Beatles mal im Hamburger Star-Club live gesehen zu haben, kann aber mit ihren esoterischeren Experimenten Ende der Sechziger wenig anfangen. Bei “Belle & Sebastian” geht es ihm nicht genügend zur Sache und meine Mutter meinte bei “Goldfrapp”, das sei ja “Musik zum Einschlafen”. Und ich hatte dabei nicht den Eindruck, das wäre als Kompliment gemeint.

Völlig unrecht hat sie natürlich nicht, die verhaltenen Elektromelodien mit der einschmeichelnd langsamen Frauenstimme gemahnen mitunter wirklich an Wiegenlieder und erinnern mich zum Beispiel an “Spell”, das 1993er Projekt von Boyd Rice (“Non”) und Rose McDowall (von “Strawberry Switchblade”), das nicht nur auch von Daniel Millers Plattenfirma vertrieben wurde, sondern ausgerechnet den größten “Hit” mit “Lullaby”, einer Version der Filmmusik aus “Rosemary's Baby” hatte.

Solche Art von Wiegenlieder also. Die Landschaftsaufnahmen im CD-Booklet könnten aus Twin Peaks stammen, jener mysteriöse Fernsehserie von David Lynch, und an dessen Kooperationen mit Angelo Badalamenti und Julee Cruise fühle ich mich ebenfalls erinnert. Dunkle Abgründe tun sich auf unter der zuckersüßen Stimme der Sängerin, die angeblich tatsächlich Alison Goldfrapp heißen soll. In einem der eingängigsten Songs, “Utopia”, wird tatsächlich auch mal ein Säugling im Text erwähnt, und man ist fast ein bißchen enttäuscht, daß es nicht um einen kalbsähnlichen Fötus wie in “Eraserhead” oder den Sohn des Teufels wie bei Levin/Polanski geht, sondern nur um ein “fascist baby”.

Keyboards und Streicher lullen den Hörer langsam ein, und das ganze hört sich an wie ein Soundtrack. Aber nicht im Stile der Triphopper von Massive Attack oder dem wohl unterschätztesten “Mute Records”-Künstler, Barry Adamson, nein, diese Platte, die, wie ich bereits erwähnte, Anfang des Jahres erschien, passt meines Erachtens vorzüglich zu einem Film, der auch im Januar startete, nämlich Claude Chabrols “Merci pour le Chocolat”. Diese musikalische Schokolade mag auch Kindern gefallen, aber sie ist etwa so subtil bösartig wie die Schokoladen-Igel, die Gert Fröbe seinerzeit in der Schweiz verteilte, womit ich wieder bei den Landschaftsaufnahmen bin.