Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




September 2001
Jochen Müter
für satt.org


Helium Vola:
Helium Vola

Chrom Records / Indigo, 2001

Helium Vola

Genial verkopft

Nachdem Ernst Horn seine Zusammenarbeit mit der Band Qntal beendet hat, legt er mit seinem neuen Mittelalterprojekt "Helium Vola" ein erstes, wunderbares Album in unsere Anlagen



Ernst HornWenn es einen Indiependent-Künstler gibt, vor dem ich tief, ganz tief meinen imaginären Hut ziehen will, dann ist es Ernst Horn! Er unterhält mich seit Jahren auf eine ganz besondere Art und Weise, inspiriert mich und hat mich auf so manch langer Autofahrt mittels seiner Musik durch die langen Stunden begleitet; ob als kompositorischer Kopf der Band "Deine Lakaien" und "Qntal", als Remix-Künstler oder als Hörspiel-Produzent: er liefert erstklassige Muisik ab, die jeden Pfennig des CD-Preises wert ist. Seine Produktionen sind glasklar und fett wie ein Schlag in die Magengrube, jedes Fitzelchen Ton sitzt perfekt, nichts ist zuviel und nichts ist zuwenig.

Jetzt liegt mir das Debutalbum seiner neuen Formation Helium Vola vor, das nach der Band benannt "Helium Vola" heißt. Und wieder nimmt mich dieses Album (allerdings erst beim zweiten und dritten Hören) schwer gefangen; Jesus Christus: da mühen sich sogenannte "Mittelalter-Bands" wie "Tanzwut", "Corvus Corax" und "Estampie" auf Krampf einen ab, springen auf den fahrenden Trend-Zug, um dem Zuhörer lateinisches Textwerk und Lieder aus altdeutschem Kulturgut zu verbraten, und erst angesichts des HeliumVola Albums wird einem deutlich, wie sehr die gerade genannten Bands hochgradig kommerziellen Mist produzieren oder esoterisch-verklemmten Schwachsinn abliefern. Man denke nur an die schreckliche Band "Tanzwut", die einen unglaublichen Matschbrei auf ihrem letzten Album fabriziert hat, und uns noch das Ärzte-Cover "Bitte, bitte" als Mittelalterrock verkaufen wollte.

Ernst Horn geht da völlig anders ans Werk: er hat ein Album eingespielt, welches zweifellos extrem schwere Kost ist; nicht leicht verdaulich eben, anstrengend und verkopft bis ins Mark. Und doch fliegt es dahin und läßt nichts vermissen. Einzige Ausnahme entgegen der Verkopftheit bildet vielleicht der Single-Hit "Omnis Mundi Creatura", der in den letzten Wochen bereits die deutschen Clubs geentert und die Deutschen Alternative Charts heraufgeklettert ist. Ernst Horn ist der Meister schlechthin, wenn es um die Verbindung zwischen hochmoderner elektronischer Musik und konventionellen akustischen, meist traditionellen Instrumenten geht. Die konzeptionelle Rahmenhandlung des Albums basiert auf einem Michel Houllebecq-Text, der übersetzt in etwa heißt: "Die Bewohner der Sonne werfen auf uns einen gleichgültigen Blick / wir gehören definitiv auf den Boden der Erde / und dort verfaulen wir, meine unerfüllbare Liebe / niemals werden unsere sterblichen Körper zu Licht".

Die Texte selbst fußen auf mittelalalterlicher Lyrik in provenzalischer, alt- und mittelhochdeutscher, französcher und lateinischer Sprache; ruhige Balladen stehen gleichberechtigt neben experimentell-futuristischem Soundspektakel, finstere Beschwörungen neben berückenden Balladen. Und so greift Herr Horn aktuelle Geschehnisse, wie den Untergang des U-Bootes "Kursk", musikalisch auf und stellt diese vergleichend gegen die mittelalterliche Welt - ein extrem spannendes Konzept, weil es enorm grenzauflösend arbeitet. Und es funktioniert fast wie Katzenficken so sauber. Keinesfalls unerwähnt soll Sabine Lutzenberger bleiben, die als eine der renommiertesten Sängerinnen für mittelalterliche Musik gilt, und die Ernst Horn zur Zusammenarbeit bewegen konnte. Sie hat die perfekte Stimme für dieses Album - und daher Gratulation zu dieser gegenseitigen Befruchtung. Damit seit genug gesagt über dieses leckere Album; und wenn es auch vielleicht genauerer Erläuterungen bedarf und detaillierterer Erklärungen, wenn ich auch mit dieser Rezension bezüglich ihrer Fachlichkeit diesem Album nicht gerecht werden kann, so kann ich mir doch am Schluß erlauben von Euch zu fordern: kauft dieses Album, hört es, liebt es!