Genial verkopft
Nachdem Ernst Horn seine Zusammenarbeit mit der Band Qntal beendet hat, legt
er mit seinem neuen Mittelalterprojekt "Helium Vola" ein erstes, wunderbares
Album in unsere Anlagen
Wenn es einen Indiependent-Künstler gibt, vor dem ich tief, ganz tief meinen
imaginären Hut ziehen will, dann ist es Ernst Horn! Er unterhält mich seit
Jahren auf eine ganz besondere Art und Weise, inspiriert mich und hat mich
auf so manch langer Autofahrt mittels seiner Musik durch die langen Stunden
begleitet; ob als kompositorischer Kopf der Band "Deine Lakaien" und "Qntal",
als Remix-Künstler oder als Hörspiel-Produzent: er liefert erstklassige
Muisik ab, die jeden Pfennig des CD-Preises wert ist. Seine Produktionen sind
glasklar und fett wie ein Schlag in die Magengrube, jedes Fitzelchen Ton
sitzt perfekt, nichts ist zuviel und nichts ist zuwenig.
Jetzt liegt mir das Debutalbum seiner neuen Formation Helium Vola vor, das
nach der Band benannt "Helium Vola" heißt. Und wieder nimmt mich dieses Album
(allerdings erst beim zweiten und dritten Hören) schwer gefangen; Jesus
Christus: da mühen sich sogenannte "Mittelalter-Bands" wie "Tanzwut", "Corvus
Corax" und "Estampie" auf Krampf einen ab, springen auf den fahrenden
Trend-Zug, um dem Zuhörer lateinisches Textwerk und Lieder aus altdeutschem
Kulturgut zu verbraten, und erst angesichts des HeliumVola Albums wird einem
deutlich, wie sehr die gerade genannten Bands hochgradig kommerziellen Mist
produzieren oder esoterisch-verklemmten Schwachsinn abliefern. Man denke nur
an die schreckliche Band "Tanzwut", die einen unglaublichen Matschbrei auf
ihrem letzten Album fabriziert hat, und uns noch das Ärzte-Cover "Bitte,
bitte" als Mittelalterrock verkaufen wollte.
Ernst Horn geht da völlig anders ans Werk: er hat ein Album eingespielt,
welches zweifellos extrem schwere Kost ist; nicht leicht verdaulich eben,
anstrengend und verkopft bis ins Mark. Und doch fliegt es dahin und läßt
nichts vermissen. Einzige Ausnahme entgegen der Verkopftheit bildet
vielleicht der Single-Hit "Omnis Mundi Creatura", der in den letzten Wochen
bereits die deutschen Clubs geentert und die Deutschen Alternative Charts
heraufgeklettert ist. Ernst Horn ist der Meister schlechthin, wenn es um die
Verbindung zwischen hochmoderner elektronischer Musik und konventionellen
akustischen, meist traditionellen Instrumenten geht. Die konzeptionelle
Rahmenhandlung des Albums basiert auf einem Michel Houllebecq-Text, der
übersetzt in etwa heißt: "Die Bewohner der Sonne werfen auf uns einen
gleichgültigen Blick / wir gehören definitiv auf den Boden der Erde / und
dort verfaulen wir, meine unerfüllbare Liebe / niemals werden unsere
sterblichen Körper zu Licht".
Die Texte selbst fußen auf mittelalalterlicher Lyrik in provenzalischer, alt-
und mittelhochdeutscher, französcher und lateinischer Sprache; ruhige
Balladen stehen gleichberechtigt neben experimentell-futuristischem
Soundspektakel, finstere Beschwörungen neben berückenden Balladen.
Und so greift Herr Horn aktuelle Geschehnisse, wie den Untergang des U-Bootes
"Kursk", musikalisch auf und stellt diese vergleichend gegen die
mittelalterliche Welt - ein extrem spannendes Konzept, weil es enorm
grenzauflösend arbeitet. Und es funktioniert fast wie Katzenficken so sauber.
Keinesfalls unerwähnt soll Sabine Lutzenberger bleiben, die als eine der
renommiertesten Sängerinnen für mittelalterliche Musik gilt, und die Ernst
Horn zur Zusammenarbeit bewegen konnte. Sie hat die perfekte Stimme für
dieses Album - und daher Gratulation zu dieser gegenseitigen Befruchtung.
Damit seit genug gesagt über dieses leckere Album; und wenn es auch
vielleicht genauerer Erläuterungen bedarf und detaillierterer Erklärungen,
wenn ich auch mit dieser Rezension bezüglich ihrer Fachlichkeit diesem Album
nicht gerecht werden kann, so kann ich mir doch am Schluß erlauben von Euch
zu fordern: kauft dieses Album, hört es, liebt es!