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Oktober 2001
Thomas Vorwerk
für satt.org


Mercury Rev:
All is Dream

V2 Records (ZOMBA) 2001

Mercury Rev: All is Dream

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Mercury Rev:
All is Dream



Nach dem Kritikererfolg “Deserter's Songs” von 1998 nahm man sich für den Nachfolger erstmal etwas Zeit, knüpft aber am Stil des Nachfolgers an. Die wilderen Zeiten der Band sind wie weggefegt, wenn das “Wegfegen” nur nicht Assoziationen zu dynamischen Bewegungen mit sich bringen würde.

Der Opener “The Dark is Rising” hat ein symphonisches Intro, doch schon werden Lautstärke und Tempo zurückgenommen. Fast der ganze Song wird vom selben, minimalistisch erscheinenden melodiösen Rhythmus getragen, gegen Ende noch ein kleiner Ausrutscher in bombastische Ensemble-Klänge, jedoch ohne Konsequenzen. Da der zweite Song “Tides of the Moon” heißt, muß ich an Pink Floyd denken, doch stattdessen kommt wieder das für die Band inzwischen so typische Instrument, das ich immer gerne als “singende Säge” bezeichne. Dazu einige verzerrte Gitarren, wie sie nicht einschmeichelnder klingen könnten.

”Nite and Fog” ist einer der Songs, die Kapital von einer der eigentümlichsten Männerstimmen dieser Zeit schlagen. Hier erkennt man auch am ehesten die Tonstrukturen früherer Alben der Band wieder. “Little Rhymes” hingegen ist einer der Songs, die dem Hörer klarmachen, daß man es bei Mercury Rev mit Ausnahmekomponisten zu tun hat, die, wenn sie darauf anlegen würden, auch Top 10-Hits schreiben könnten.

“A Drop in Time” hört sich an wie ein Wiegenlied, auch wenn der Text dazu nicht passt, und wenn dann eine Percussion-Einlage einsetzt, wie sie von einer Sklavengaleere stammen könnte, gibt man es spätestens auf, den Song in irgendeine Schublade stopfen zu wollen. Diese Mittelpassage der CD, Song 5-7, ist für sich genommen ein Meisterwerk, mit dem der Rest der Platte leider nicht immer mithalten kann, aber vielleicht wäre das auch zuviel erwartet.

Eigentlich habe ich so gut wie keine Ahnung von Pink Floyd, aber der abschließende Song “Hercules” erinnert mich irgendwie an jene in meinen Gehirnwindungen verbliebenen Soundfetzen, mit denen mein Bruder mal monatelang das Haus beschallte. Mercury Rev ist eine Band wie Pink Floyd, man kann sie abgöttisch lieben, vielleicht kann man sie auch hassen, wenn man nichts besseres vor hat, aber die Alternative zum Verzücken ist eigentlich, daß einem die zähfließenden Melodien und Soundspielereien, wie sagt man so schön, “am A … vorbeigehen”. In meinem Fall ist dem nicht so, und wenn ich bei Pink Floyd nicht immer schon “abgeschaltet” hätte, um die fehlende Solidarität zum Musikgeschmack meines Bruders zu demonstrieren, wäre vielleicht alles anders gelaufen.