Marc Ribot: Saints
Atlantic/Warner 2001
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Heilig: Marc Ribots neue Platte "Saints"
In den letzten Jahren machte Marc Ribot vor allem mit seiner Band "Los cubanos postizos", die genussvoll den ganzen Cuba-Hype zerschredderte und durch seine Zusammenarbeit mit Medeski, Martin & Wood auf sich aufmerksam. Jetzt hat er eine Solo-Platte vorgelegt, soll heißen: Zwölf Stücke auf denen er teils eine akustische 20-Dollar-Gitarre, teils eine furztrockene E-Gitarre spielt. Einen weiten Bogen spannen die Titel des ersten und des letzten Stückes der Platte, "Saints" und "Witches and Devils", zwei Kompositionen von dem in den letzten Jahren etwas vergessenen und als Komponisten eh nie sonderlich bekannten Saxophon-Ungetüm Albert Ayler. Trotz oder gerade wegen dieser konträren Titel ließen sich die beiden Stücke gleichermaßen wunderbar unter die Mordszene in Polanskis "Macbeth"-Verfilmung legen. Ein drittes Stück von Ayler, mit dem nicht minder reißerischen Titel "Holy Holy Holy" beginnt mit einem Billy the Kid-mäßigen Prairie-Sound, der dann auf eine Weise zerpflückt wird, als würde jemand an den Saiten eines Bechstein-Flügels rupfen. Ist aber nur die 20-Dollar-Klampfe. Ähnlich geht Ribot mit dem Traditional "Go down Moses" um, der bei ihm klingt wie rückwärts gespielt. Das zweite Traditional auf der Platte, "St. James Infimary", hält sich zwar an einen festen Rhythmus wird aber mit elektrisch-agressiven Stößen vorangetrieben, vergleichbar mit Bill Frisells Version des "Washington Post March". Nur dass Frisell für solch eine Energieleistung ein Quintett benötigt, Ribot hingegen ohne Helfer auskommt. Noch brodelnder wird es in Bernsteins süßem "Somewhere", dass sich hier in einen Lava-spuckenden Vulkan verwandelt.
Einige ruhige Stücke gibt es natürlich auch, so etwa die John Lurie-Komposition "It could have been very very beautiful", die Ribot gemächlich, zugleich aber auch ziemlich abgründig pulsen lässt oder das leise und ergreifende, durch gospelartige Einwürfe leicht gebrochene Lennon/ McCartney-Stück "Happiness is a warm gun".
Viele Töne braucht Ribot für all das nicht: In "I'm getting sentimental over you" reicht ihm die Melodie, allein mit dynamischen Variationen kreiert er hier gewaltige Spannungsbögen. Und Mitspieler vermisst man in keinem Moment, am wenigsten, wenn Ribots Gitarre wie eine Mischung aus schrammeliger Harfe und verstimmter Sitar klingt ( so auf "Book of Heads #13", einem dieser krassen John Zorn-Schnipsel). Nicht nur Gitarren-Minimalisten und schwermütig streichende Kontrabassisten, auch so manche Blockakkord-Virtuosen und eruptiv-Schlagzeuger spielt Marc Ribot auf dieser feinen Platte, ohne sich dabei zu verrenken, in Grund und Boden.
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