Ein alter Freund von mir betitelte die göttlichen Violent Femmes seinerzeit despektierlich als "Zwölftklässlerinnenmusik", wobei ich nie verstanden habe, weshalb das abwertend sein soll. Wie er das auch meinte, kaum eine Band war mir zu der betreffenden Zeit so wichtig und keine machte so viel (bitteren) Spaß. Die scheppernden, knarzigen und unglaublich energiegeladenen 3-Minuten-Folkpunksongs waren auf keiner Fete wegzudenken. Und LPs wie "Hallowed Ground" muß man heute - um einen ganz gruseligen Begriff zu verwenden - als "Indie-Klassiker" bezeichnen.
Und jetzt die große Freude: Gordon Gano; Mastermind und Sänger der Femmes, hat nach Jahren des Schweigens seine erste Soloplatte rausgebracht!
Allerdings ist "Hitting the Ground" kein "normales" Soloalbum, sondern eigentlich ein Soundtrack zu einem Film von David Moore, der nie ins Kino kam; ausserdem singt Gano nur auf drei Stücken selbst. Aber dafür reiht er eine strahlende Lichterkette von Gaststars auf: PJ Harvey, John Cale, Lou Reed, Linda Perry, Frank Black, They Might Be Giants, Mary Lou Lord, Martha Wainwright und seine Schwester Cynthia Gayneau leihen den stilistisch sehr heterogenen Liedern ihre Stimmen und auch Instrumente.
11 Stücke sind auf der Platte zu hören, wobei das Titelstück gleich zweimal vertreten ist: einmal in einer Patti-Smith-liken Fassung von PJ Harvey und zum Schluß vom Meister selbst gesungen. Obwohl der Song "Hitting the Ground" sehr simpel gestrickt ist, versöhnt er mich wieder mit der Welt, nach Jahren der geschmackvollen, aber auch langweiligen Loungemusic-Soundtapete freut man sich über Losgehstücke wie dieses. Und wer bisher glaubte, PJ Harvey kann nicht rocken, wird hier eines Besseren belehrt.
Die amerikanische Folksängerin Mary Lou Lord singt zu Cello-Begleitung die zarte, fragile Ballade "Oh Wonder" und spielt Akustikgitarre; danach, damit es nicht zu kuschlig wird, folgt das von Gano gesungene Stück "Make it Happen". John Cale und Lou Reed sind direkt hintereinander platziert - sie werden sich selber wohl niemals los. Linda Perry, of ex-4-non-Blondes-fame, leistet sich keine stimmlichen Eskapaden wie in ihrem Hit "What's up": "So it goes" ist eine ein- aber unaufdringliche Ballade; danach knallt Frank Black sein "Run" hinterher - geifernd, gehetzt, hechelnd, überdreht: wie zu besten Pixies-Zeiten. They Might Be Giants liefern mit "Darlin' Allison" eine Doo-Wop-Parodie; Gordon Ganos Schwester Cynthia (Gayneau!) singt das Country-Weihnachtslied "Merry Christmas Brother", eine andere Schwester, nämlich die von Rufus Wainwright, Martha, singt zusammen mit Gordon Gano das zynische "It's about Money" ("..it's about money, that's what I'm here for..").
"Hitting the Ground" klingt wunderbar zeitlos, könnte auch 1988 erschienen sein. Sicherlich gibt es technische Feinheiten, die das Erscheinungsjahr verraten, aber die Violent Femmes haben schließlich als Straßenmusiker begonnen und Gordon Gano verleugnet sein Faible für einfache, aber wirkungsvolle Instrumentierung glücklicherweise auch 2002 nicht.
Alles wäre noch ein kleines bißchen toller, wenn GG seine nölige, nörgelige Stimme öfter zum Einsatz gebracht hätte - so ist es halt eine Indie-Allstars-Weihnachsplatte geworden, ist ja auch schön.