Marcus Schmicklers Gastspiel im Bereich der Neuen Musik gehört sicher zum Aufregendsten und zugleich von der Realisation her auch Aufwendigsten, was a-Musik bislang als Label veröffentlicht hat. Hier stellt einer den Dünkel der Befugnis in Frage, indem er zeigt, daß es durchaus auch unabhängig von einem akademischen Kontext möglich sein kann, quasi von außen in die Hallen der Neuen Musik einzudringen und Arbeiten zu realisieren, die für diesen Bereich fast schon als wegweisend gelten können. Die CD (die limitierte Vinyl-Edition bietet ihr gegenüber zum Teil ungekürzte Versionen der Stücke) beginnt mit einer eher moderaten, "Deep Listening"-versunkenen Orgelnummer und rahmt zusammen mit Agogh, dem letzten Track für Chor und Vokalsolisten die dazwischen liegenden Ensemblestücke, mal für Streichquartett plus elektronische Nachbearbeitung, mal für Bläserquintett, Percussion und Elektronik, um nur ein paar der vertretenen Besetzungen zu nennen. Was es hier zu hören gibt, zeigt genaueste Kenntnis der verschiedenen Strömungen innerhalb der Neuen Musik und zugleich die einfühlsame Herangehensweise eines Musikers, der sein Gespür für ungewöhnliche Sounds und stilistische Kombinationen bereits hinlänglich in anderen Gefilden (die eher als "populär" gehandelt wurden) unter Beweis stellte. Angeknüpft wird hier an sehr vieles, an die erhabene, driftende Wucht eines Giacinto Scelsi, an Ligeti-Polyphonie, aber auch an die elektronische, beinahe zerberstende Kleinteiligkeit bei Iannis Xenakis und an Stockhausen zu Kontake-Tagen. Reminiszenzen an den frühen Schönberg (etwa zu Beginn von aS/N) werden mit Morton-Feldman-Partikeln gepaart, Momente von kurz aufblitzendem Wohlklang zerbrechen kurz darauf mit einer Lust an tonaler Selbstzerstörung, die der Angespanntheit in der Musik von Franco Evangelisti nahekommt.
All dies mag sich wie ein bloß irrer, eklektizistischer Crossover aus dem Who is Who der Musik des 20. Jahrhunderts lesen, wird von Schmickler jedoch keineswegs altklug zitathaft und schon gar nicht effekthaschend verwoben, sondern fließt wie selbstverständlich in sehr wohl geschlossene Kompositionen ein. Daß hier jemand die zweite Wiener Schule mit den eher soundorientierten Komponisten der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts als quasi natürlichste Sache der Welt homogenisiert, ist dermaßen aufregend, klanglich reich und zugleich besoffen sinnlich, daß der »Preis der deutschen Schallplattenkritik« nur noch einen Sack voller Schlafmünzen wert ist, sollte er nicht an Param verliehen werden.