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Januar 2003
Thomas Vorwerk
für satt.org


Johnny Cash:
The Man Comes Around

(American IV)
Mercury (Universal) 2002

Johnny Cash: The Man Comes Around

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The Man Comes Around


Die politischen Anschauungen des Herrn Cash sind mir mitunter ähnlich suspekt wie die von Eminem. Doch während letzterer mich sogar dazu verleitet, den neuesten Film von Curtis Hanson mit Nichtbeachtung zu strafen, bin ich für die neueste Ration der “American Recordings” immer zu haben.

Ähnlich wie Neil Young mit seinen Nachfolge-Alben zu “Harvest” hat Cash einen Weg gefunden, alte Fans und neue Interessenten dazu zu bewegen, eine in der Musikbranche eher untypische Sammlerleidenschaft zu entwickeln. Bei mir hat das nicht geklappt, ich kenne zwar drei der vier Platten der Serie, besitze aber nur eines, und muß zu allem Übel auch noch attestieren, daß “The Man Comes Around” das schwächste der mir bekannten Vertreter der “American Recordings” ist.

Gab es auch bei den anderen Scheiben immer einige Cover-Versionen als Schmankerl zwischendrin, so übertreibt es der Country-Star hier gewaltig, man kann schon fast von einem Overkill sprechen. Traditionals wie “Sam Hill” und “Danny Boy”, Evergreens wie Simon & Garfunkels “Bridge Over Troubled Water” oder “In My Life” von den Beatles, und dazu noch Songs von Hank Williams, Sting, Depeche Mode, den Eagles oder Nine Inch Nails.

Johnny Cash

Zwar sieht das nach einer interessanten Bandbreite aus, doch leider hat man nur in den wenigsten Fällen das Gefühl, daß Cashs Versionen dem Songmaterial entscheidend neue Impulse verleihen. Die Akustikgitarre bei “Personal Jesus” klampft ganz nett, Cashs Gesang kann sich aber nicht mit Dave Gahans Emotionalität messen, was im Vergleich mit den Beatles noch stärker auffällt. Und das Duett mit Fiona Apple zu “Bridge over Troubled Water” entzieht sich jeden Kommentars.

Zwar kann Cash manchen Songs schon immens viel “Seele” einhauchen (wie “Hurt” von den Nine Inch Nails, Stings “I Hung My Head” oder Eigenkompositionen wie den Titelsong oder “Tear Stained Letter”), doch verglichen mit etwa “Solitary Man” ist das Album einfach zu unbeständig, zu gespalten und auch teilweise etwas lieblos. Es scheint nicht völlig abwegig, daß Cash oder etwaige Produzenten der Meinung waren, daß man mit ausreichend weit gefächertem Basis-Material Unmengen von potentiellen Hörern zum Kauf animieren kann. Ob allerdings alle vom Resultat begeistert wurden, bleibt fraglich.

Dadurch, daß der letzte Song des Albums dann auch noch ausgerechnet eine immens kitschige (Bläser und Streicher) Version des Schlußsongs aus Kubrick “Dr. Strangelove” sein musste, bekommt das “We’ll meet again” eine Art Doppelbedeutung, die schon fast wieder positiv zu bewerten ist. Denn man kann dies wohl kaum als selbstbewußtes Versprechen auffassen, sondern eher als eine verzweifelte Hoffnung. Ich hoffe mit.