Wolfsheim:
Casting Shadows
Die Angst der Musikindustrie vor Musikräubern treibt seltsame Blüten; neben dem normalen Kopierschutz werden Promo-Alben ekelig verstümmelt und verhunzt, damit sie nicht im Internet landen. Dennoch wird von den Rezensenten ein emphatisches Urteil erwartet. Die Lust an der Rezension kann einem jedoch übel vergehen: neulich hielt ich eine DAF-Promo-CD in der Hand, auf der sich lediglich fünf von 15 Stücken des neuen Albums befanden, wobei die Titel zusätzlich auf zwei Minuten gekürzt waren. Natürlich wurde eine Besprechung des gesamten Albums erwartet. Reizend – und leider unrezensierbar.
Auch die neue Wolfsheim-CD ist in ihrer Promotion-Fassung ein solches Beispiel: neun Titel finden sich hier, die alle nach 2/3-Durchlauf ausgefadet werden. Zusätzlich quasselt in der Mitte der Stücke irgendeine Eierbirne mitten ins Geschehen und nennt den Bandnamen und den Titel. Auch cool. Mich würde interessieren, wie es unser Filmfachmann Thomas Vorwerk fände, wenn der Film einer Pressevorführung in der Mitte abbricht, und er mit dem Rest seines Popcorns nach Hause geschickt würde.
Aber sei es drum. Wolfsheim legen mit "Casting Shadows" ein rundum ruhiges und sanftes Album vor. Damit bleiben sie weitgehend ihrem Stil treu: Peter Heppner, seit dem Duett mit Joachim Witt ("Die Flut") und einem erfolgreichen Ausflug in den Dance auch im deutschen Mainstream bekannt, vermittelt mit Hilfe seiner eingängig-melancholischen Stimme schwermütige Texte, und im Hintergrund zwitschern, brummeln und blubbern synthetische Klänge aus der Ideenschmiede von Markus Reinhardt, der mit seiner "Care Company" ebenfalls auf Solo-Pfaden wandert.
Die Single "Kein Zurück" läuft ja nun dieser Tage rauf und runter im Radio und den einschlägigen Musiksendern; und tatsächlich: mit diesem Stück ist auch die beste Wahl getroffen worden, denn es stellt dank seines eingängigen Refrains das Highlight des Albums dar. Eine erfreuliche Abwechslung in den von Dieter Bohlen beherrschten Charts. Das Duo schafft auf seinem Album zwar noch einige weitere Ohrwurm-Melodien wie bei der Nummer "Wundervoll", leider jedoch erstickt die Platte nach kurzer Zeit an seiner eigenen Ruhe. Spannungsbogen leider Fehlanzeige. Die Musik - überwiegend aus Preset-Sounds gebaut - lässt Heppner völligen Freiraum zur Stimmentfaltung, den dieser aber immer mit sich ähnelnden Wendungen ausfüllt. Chancen auf innovative Ideen und Veränderungen gehen dabei verloren. So bleibt "Casting Shadows" auf dem Stand von Bügelmusik stehen: nett zu hören als Hintergrundmusik, jedoch zu unspannend, um auf Dauer zu begeistern.