Martin L. Gore:
Counterfeit 2
Coverversionen haben nur dann eine Existenzberechtigung, wenn sie dem Original ein Geheimnis entlocken und somit aus einem guten Stück zwei gute Stücke werden. Alles andere ist sinnlos, erbärmlich, nervig und absolut überflüssig. Kleines Beispiel: wenn HIM Chris Isaak covern, dann ist das überflüssig, wenn Marilyn Manson „Sweet Dreams“ covert, dann ist das wenigstens für die Tanzfläche brauchbar wenn aber Martin L. Gore Kurt Weill covert, dann kommt was Neues dabei raus!
„Counterfeit 2“, das neue Solo-Album von Depeche Mode-Erfinder Gore, rankt sich ausschließlich um Coverversionen; damit setzt Gore eine kleine Tradition fort: bereits 1989 veröffentlichte er mit „Counterfeit“ ein Cover-Album. Das Schöne an dieser neuen Platte: Gore setzt keineswegs auf den Wiedererkennungswert der ausgesuchten Titel, nein, er verdreht sie geradezu in die Unkenntlichkeit. Wer hätte gedacht, dass Nick Caves „Lover Man“ in Abwesenheit der Bargeldschen Schräpelgitarre als elektronisches Pop-Stück soviel Sinn machen kann? Gore beweist es.
Überhaupt ist die Auswahl der Titel gelungen; orientiert hat sich Gore dabei an Musik und Interpreten, die ihn vor allem zu Beginn seiner nun mehr als 20jährigen Musikerfahrung inspiriert haben. Dabei streift er locker durch das Buch der Rockgeschichte, nimmt sich aber hauptsächlich B-Seiten zur Brust. Iggy Pops „Tiny Girl“ wagt sich auf einen Drahtseilakt zwischen seltsamer Schönheit und gewagter Dissonanz, „I Cast A Lonesome Shadow“, eine eigenwillige Country-Nummer von Hank Thompson, kommt als karge Techno-Noir-Fassung wieder und und Brian Enos „By This River“ ist einfach nur gelungen merkwürdig.
Die vier Diamanten des insgesamt sehr ruhigen Albums sind zweifelsfrei „Stardust“, der kryptischste David Essex-Song, der es je in die Top 10 geschafft hat, Kurt Weills gottloses „Lost In The Stars“, das nach innerer Reinigung verzweifelt rufende „Jesus Make Up My Dying Bed“ und Nicos „Das Lied vom einsamen Mädchen“, das nicht nur durch Gores starken Akzent, sondern auch durch die trashige Herangehensweise exzellent ist übrigens Gores Premiere in deutscher Sprache.
Fazit muss sein: der Mann ist gut. Die Unart der Coverversion wird hier zur Paradedisziplin: Gore schafft neue Musik aus alten Liedern.