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Juli 2003
Christina Mohr
für satt.org


The New Class of Rock

Zeig mir Deine Vorbilder
und ich sage Dir ….



Is This It - The Strokes
The Strokes: Is This It
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Oh ja, alles kommt wieder: jede Mode und auch jeder Musikstil. Was so klingt wie ein Seufzer meiner Oma, ist im Fall der neuen, heißen ROCKbands völlig angebracht. Die Zeit der namen- und gesichtslosen Elektronikacts scheint vorbei, THE Strokes, THE White Stripes, THE Kills, THE Datsuns, THE Libertines, THE Vines, THE Hellacopters und unzählige THE-Bands mehr sind ausgezogen, um Euer Haus zu rocken und Arsch zu treten. Vorreiter und bekannteste Vertreter dieses Genres sind The Strokes aus NYC, die mit ihrem Debütalbum Is This It? vor gut zwei Jahren die Musikszene gewaltig durchgerüttelt haben. Zunächst schien der Erfolg dieser Band verwunderlich, schließlich hätte man ja nur alte Stooges-, Ramones- und Velvet Underground-LPs rausholen müssen, wenn man den rauen Sound der Siebziger vermißt hat. Doch das Oldie-Feeling bleibt bei den Strokes völlig aus, sie plündern ungeniert das Erbe der Veteranen und präsentieren mit jugendlicher Arroganz der Welt ihr Werk, als hätten sie den Punkrock erfunden.
The Libertines: Up the Bracket
The Libertines: Up the Bracket
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Es war noch nie falsch, sich die richtigen Vorbilder zu suchen: The Libertines aus Great Britain klingen stellenweise ziemlich genau wie The Jam und haben sich – ob sie wohl wußten, wer der Mann ist? – Mick Jones von The Clash, später Big Audio Dynamite als Produzenten für ihre Platte Up the Bracket ins Studio bestellt. Die Platte ist von vorn bis hinten ein total charmanter Knaller, den Hit What A Waster muss man sich allerdings extra als Single besorgen – geschickte Marketingstrategen waren wohl dafür verantwortlich, dass der Song nicht auf der LP erscheint.

Black Rebel Motorcycle Club
Black Rebel Motorcycle Club
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Der Black Rebel Motorcycle Club (denen fehlt das The) hat seinen Namen von dem Filmklassiker The Wild One mit Marlon Brando entliehen, und die Band präsentiert auf dem Albumcover auch dessen typische Lederjackenästhetik. BRMC klingen wesentlich düsterer als zum Beispiel The Datsuns oder The Hives, ihre Vorbilder sind unüberhörbar The Jesus and Mary Chain, Primal Scream und auch The Stooges. Schon die ersten Töne von Love Burns dürfte bei einigen Leuten meiner Generation Déja Vu(wie würde man eigentlich "schon mal gehört" ausdrücken?) –Erlebnisse auslösen; so deutlich sind die Referenzen an Jesus and Mary Chain.
Doch The Libertines oder BRMC des Epigonentums zu bezichtigen, wäre nicht gerecht; sie sind jung genug, um aus dem Fundus der Popmusik schöpfen zu können, was ihnen gefällt. Die Siebziger und Achtziger sind ewig her, da waren die Bandmitglieder (und natürlich ihre Fans) noch gar nicht geboren, die Vorbild-Bands gibt es schon lange nicht mehr oder dümpeln im Sumpf der Bedeutungslosigkeit vor sich hin.
Und ausserdem: wurde nicht einstmals eine britische Band namens Oasis für die ultimative Hoffnung der Popmusik gehalten, obwohl sie derart dreist bei den Beatles klauten, dass es heute noch verwundert, dass ihnen nie eine Plagiatsklage ins Haus geflattert kam.

the Kills: Keep on Your Mean Side
the Kills: Keep on Your Mean Side
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Sehr viel blueslastiger als die vorher genannten Bands sind die White Stripes aus Detroit und The Kills, beiden genügt eine minimalistische Zweier(paar)besetzung aus Gitarre und Schlagzeug. Jack und Meg White kolportierten eine Weile die Geschwisterlegende, die aber bald durch eine aufgetauchte Scheidungsurkunde arg ins Wanken geriet. Welcher Art die private Verbindung auch sein mag, sie ist auf jeden Fall fruchtbar für ihr musikalisches Schaffen, Elephant von 2003 ist die vierte Veröffentlichung der Band und kommt ebenso frisch und umwerfend daher wie ihre Vorgänger. The White Stripes sind mittlerweile richtig BIG, waren in den USA sogar Vorgruppe der Stones und weisen in jedem ihrer Interviews darauf hin, dass ihnen a) der Erfolg nichts bedeutet, sie b) immer noch in ihren alten Wohnungen leben und c) niemals in großen Hallen spielen werden. Das ist auch wünschenswert, denn ihre Musik ist definitiv kein Stadionrock, sondern muss ihren Charme und ihre Kraft auf kleinen Bühnen entfalten. Der NME schrieb über die White Stripes: "They make the world's most boring music (the blues) seem fresh and modern", genau dasselbe trifft auch auf The Kills zu, die auf ihrer Platte Keep on Your Mean Side Slideguitars verwenden und auch sonst einen eher reduzierten Songaufbau bevorzugen. Bob Dylan, Leadbelly und alle möglichen Bluesgrößen sind hier die Vorbilder, die mit rohen Punkelementen gemixt werden.

The New Class of Rock
The New Class of Rock
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Die Liste der Bands, die wieder laut und dreckig rocken, könnte man schier endlos weiterführen. Wöchentlich erscheinen tolle Platten und es macht wieder Sinn, Bandnamen auf Wände zu schmieren und Buttons an die Jeansjacke zu pinnen. Apropos Jeansjacke: die Rückkehr des Rock’n’Roll hat Turbonegro aus Norwegen zur Reunion bewogen. Bald kann man wieder beobachten, wie sich der Turbosänger auf der Bühne eine Wunderkerze in den Hintern schiebt (angezündet natürlich).

Mittlerweile ist ein Sampler vom Starbugs-Label auf dem Markt, der einige der neuen Bands vorstellt: Auf The New Class of Rock sind Songs der Hellacopters, Yeah Yeah Yeahs, Soulwax, The International Noise Conspiracy und selbstverständlich The Libertines und BRMC zu hören. Wer sich erstmal einen Überblick verschaffen will, dem/der sei diese Platte wärmstens empfohlen, aber jede einzelne Band hat es verdient, dass ihre komplette LP gehört wird.