Jens Friebe, aha, unspektakulärer Name erstmal, CD-Cover sieht aus wie eine Ravensburger-Spiele-Packung, darauf lächelt ein blonder Boy, zart, androgyn – erwartet uns hier ein Maximilian Hecker- oder Superpitcher-Look-and-sound-alike? Oder ein Tim Fischer aus dem von Milch/Levin-Stall?
Es kommt anders: das erste Stück, "Gespenster", bezaubert und verstört durch seine unbegreifbar anrührende Verbindung von stumpfem Achtziger-Italo-Discobeat und seinem zunächst rätselhaften Text – man möchte weinen, warum? Vor Sehnsucht? Wonach?
Song Nummer zwei, "Wenn man Euch die Geräte zeigt" beginnt wie ein Jesus and Mary Chain-Stück, das wiederum seinen Anfang von Phil Spector geklaut hat – es scheint, als sei Jens Friebe wieder jemand, der so ähnlich klingt wie, sich bezieht auf, sich bedient bei, der hiermit spielt und den und die zitiert. Stimmt alles und ist doch ganz anders. Friebes große Qualität ist es, das Echte im Falschen zu finden, Zweideutiges im Eindeutigen zu suchen. Unüberhörbar sind in der Tat die Verbeugungen vor Depeche Mode, den Pet Shop Boys, Erasure, Achtziger-Eurodisco, aber es wird auch gerockt, vor allem in den von Tobias Levin produzierten Stücken: da gibt es Handclaps und imaginierte Motorräder, "das Zeug, das Du Dir immer in die Haare schmierst" ("Bring mich zum Wagen") duftet im Fahrtwind.
Jens Friebe Foto: Hertha Hürnaus
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Wahrscheinlich sind die meisten Fans von Jens Friebe sehr jung, aber für Leute wie mich (und übrigens auch Jochen Diestelmeyer, der von Friebe extrem begeistert sein soll) bedeutet das Depechige Geblubber und Gepiepse von dieser Hildegard Knef im Jünglingsfell schon eine Verheißung, einen Schritt hinter die Spiegelsplitter der Discokugel: Tränen der Trauer mischen sich mit Tränen der Freude, jenes unbestimmte Sehnen, das man fühlte, als alles möglich schien, weil noch nichts möglich war, meldet sich im unpassendsten Moment: nämlich mitten im Erwachsenendasein. Friebe spielt mit Pathos, Leidenschaft, Glamour und Lipgloss, um dann unvermittelt völlig klar und eindeutig zu werden; im Song "Deutsches Kino" heißt es: " …Es ist ja nicht so, dass mir alles aus Amerika gefällt/Doch das deutsche Kino ist nun mal das schlechteste der Welt …" und man stellt sich die Filme vor, die Friebe so vergrätzt haben und nickt heftig mit dem Kopf. Aber der Song ist mit seiner Direktheit eine Ausnahme.
Jens Friebes Umgang mit Sprache ist unverkrampft, die Reime frech: es reimt sich Botschaft auf Botschaft und Fenster auf Gespenster. Was Friebe freundlicherweise unterläßt, ist das Kokettieren mit einer wie auch immer gearteten Niedlichkeit (siehe Peter Licht), sein offenes Klischeespiel zu hymnischen Poprefrains lassen uns ungläubig strahlen: "Bring mich zum Wagen, bring mich zum Weinen, Oh, ich kann kaum ertragen, dass es kein Zurück mehr gibt" ("Bring mich zum Wagen"). Er liebt das große Drama auf der kleinen Bühne ("Star"): " … Und ich will nicht, dass Du mich trotz meiner Schwächen/ ich will nicht, dass du mich, weil man mit mir über alles sprechen kann/ ich will nicht, dass Du mich, weil ich für Dich da bin/Ich will, dass du mich willst, weil ich ein Star bin …" – richtig, wer will schon wegen innerer Werte geliebt werden?!
Jens Friebe grüßt auf dem Cover Bum Khun Cha Youth – hab ich mir gedacht, dass Ihr Euch kennt, Jungs.