Die Essenz aus zwölf Jahren:
Die Sterne sind endlich
wieder wütend und dagegen.
Um das gleich mal klarzustellen: Hier spricht ein Sterne-Fan der ersten, na ja, vielleicht zweiten Stunde, jedenfalls seit "Was hat dich bloß so ruiniert" langjährig treu geblieben, den Konzerten hinterhergereist, noch jedes Mal begeistert und verschwitzt aus denselben wieder rausgekommen. Aber Die Sterne sind keine Band, die es ihren Fans leicht macht. Meilensteine wie "Posen" oder "Wo ist hier" wechseln sich ab mit eher verhaltenen Tönen, wie beim letzten Album "Irres Licht" von 2002. Da machte leise Resignation sich breit in den Texten, ein Einverstandensein mit den Dingen, das man von den Hamburger Rockern so bisher noch nicht kannte.
Nun ist die neue Platte draußen, und der erste Satz des ersten Songs heißt "Wir werden leider das Gefühl nicht los, dass irgendwas nicht stimmt" – ein Aufatmen füllt die Fan-Brust. Die Sterne sind wieder unbequem und wütend, yeah! Die PopUp in Leipzig lief dieser Tage unter dem Motto "Wir sind die Guten" – bei den Sternen heißt das ganz ähnlich: "Hier ist mein Standpunkt, ich bin im Recht". Vorbei ist es mit dem faulen Konsens. Die Erkenntnis: Bloß, weil man an Erfahrung gewinnt, muss man noch lange nicht klüger werden. Auch solche Gedanken kann man als Altersweisheit verkaufen. Seit zwölf Jahren sind Die Sterne unterwegs, und sie hören nicht auf nicht anzukommen. Da passt es, dass Frank Spilker im Titelsong auf die Frage, was denn nun mit seiner Generation sei, zu hören bekommt: "Ihr seid ja leider viel zu spät, stellt euch erst mal hinten an" - zu spät für die 68er und zu früh für den Wiederaufbau nach dem noch zu erwartenden Crash – "Pech gehabt". Dazu wippt der Bass im lässigen Takt.
Dieses Bekenntnis zu einer anscheinend nur noch für die Finanzierung der Rente brauchbaren Generation ist schon Grund genug, sich die Platte als Indiz eines erwachten Widerstands ins Regal zu stellen, auch wenn die Band musikalisch nicht durchweg überzeugen kann. Die Single "In diesem Sinn" zum Beispiel hört sich trotz ihres schönen Bläserarrangements und des funkigen Beats etwas bieder an. Zum guten Ton des Widerstands gehören Sitzblockaden, und an denen orientiert sich der Song "Wir rühren uns nicht vom Fleck", für den Die Sterne mehrere Sternchen der deutschen Indie-Szene (u.a. Tomte und Judith Holofernes) ins Studio geholt haben. Psychedelische Klänge und der mantraartig wiederholte Text sorgen dafür, dass die Zeile "jetzt nerven wir damit, dass wir hier sind" direkt nachempfunden werden kann – der Song nervt tatsächlich gewaltig, ebenso wie das nicht besonders feinfühlig arrangierte "Hier kommt die Kaltfront".
"Das Weltall ist zu weit" ist somit sicherlich nicht das beste Sterne-Album, aber das bisher kämpferischste. Denn Gott sei Dank hauen die Hamburger dann immer wieder Slogans zum An-die-Wand-Sprühen raus wie "Verstehen ist nicht dasselbe wie Überstehen, aber auch schön", oder Songs wie die Beamtenverhöhnung "Sie werden dafür bezahlt" und "Wir sind wie Du", den schönsten des Albums - eine Kampfansage, die ihre Kraft aus der Ruhe schöpft und in der es heißt: "Wir sind die Quelle, der Anfang der Welle" – und wenn die mit Emmerichscher Macht gegen die deutschen Gestade spült, dann können sich die kaltfrontinduzierenden Verhältnisse schon mal warm anziehen. Wir sind im Recht.