Robag Wruhme:
Wuzzelbud KK
Eine Reise durch Deep House,
Minimal-Klicktechno, Soul, Ambient
und HipHop.
In Orson Welles' Meisterwerk "Citizen Kane" gibt das letzte Wort des
verstorbenen Magnaten Rätsel auf: "Rosebud". Der Journalist Thompson macht
sich daran, das Geheimnis hinter diesem Wort zu ergründen und rollt das
gesamte Leben Kanes noch einmal auf. Doch er wird dessen Bedeutung nie
erfahren, denn Rosebud ist nichts, worauf man seine Hand legen kann, Rosebud
ist abstrakt - nenn es Liebe, nenn es Angst, auf alle Fälle etwas
Subjektives, das für jeden von uns etwas anderes bedeuten kann.
Daran musste ich denken, als ich den Titel der CD von Robag Wruhme aka Gabor
Schablitzki hörte, seines Zeichens ein Teil der nicht nur im Jenaer Raum
geschätzten Wighnomy Brothers. Was ein Wuzzelbud ist wird uns wohl niemand
erklären können, noch nicht mal der Künstler selbst. Aber der Qualität
seiner Platte nach zu urteilen ist es etwas sehr erfreuliches - vielleicht
so was wie ein Weirdo, positiv gesehen.
"Wuzzelbud KK" ist eine Reise durch Deep House, Minimal-Klicktechno, Soul,
Ambient und sogar HipHop. Hall ohne Ende, als wäre die Welt um dich herum
völlig leer, die nächste Wand, gegen die zu laufen Gefahr besteht, noch
mindestens 3 Millionen Lichtjahre entfernt und nur die Schatzkiste dieses
Klangzauberers zum Überlaufen gefüllt. "Mensua" beginnt mit einem
musikalischen Splash ins Wasser. Wäre "Formel Eins" eine geschmackvolle
Sendung gewesen, dann hätte das Titelthema so klingen können. Bei "Jause"
wird das Morphem "check" zu einem rhythmischen "tsch-tsch" seziert, das das
Tempo vorgibt. Dazu visualisiert man schon automatisch ein geniales
Michel-Gondry-Video. "Pelagia" ist ein melancholisches Ambient-Liebeslied
zum Träumen, während "K.T.B." den Soul ganz lässig von vorne bis hinten
durchbuchstabiert. "Skrubbs" hingegen zerstückelt den Text zum endgültigen
Minimal-House-Stampfer.
Jeder der Songs auf dieser Platte ist dazu angetan, ein Rosebud für die
Journalisten dieser Tage zu werden. So auch der Titelsong, das beste Stück
der Platte: Erst weiß man nicht, ob Handschellen klicken oder eine
Feuerwaffe durchgeladen wird. Poesie entsteht hier aus Rhythmenverschiebung,
aus Kakophonien, die den Sinn des gesprochenen Wortes unterlaufen und einen
zu erfühlenden Sinn ergeben. Aber Moment mal, den Text kenn ich doch: "They
say the owl was a baker's daughter. We know what we are, but know not what
we may be." Dieser Schlingel nimmt die Worte Ophelias aus dem "Hamlet" und
macht daraus dieses Wahnsinnsteil - schon allein dafür muss man ihn lieben!
Beschlossen wird das Ganze mit "Konneh", einer Gitarren-Träumerei, deren
Doppelbödigkeit nur kurz, dafür aber um so nachhaltiger aufscheint. Bis am
Ende die Vögel zwitschern, wie beim ersten Tageslicht nach durchtanzter
Nacht. Für mich ist "Wuzzelbud KK" schon jetzt eine der besten Platten des
Jahres.