Rhythm King
And Her Friends:
I Am Disco
"Alles vergendert sich, wenn du dich vergenderst" heißt ein Sinnspruch der Zeitschrift Monochrom – Rhythm King And Her Friends machen die Musik dazu.
Linda Wölfel, Pauline Boudry und Sara John kommen aus Berlin und sind die längst fällige Antwort auf die zahllosen Heteromäuschen-Girl-Bands dieser Tage. Ich jedenfalls habe lange genug auf sowas gewartet – drei androgyne Vorbilder einer selbstbewussten queeren Generation. Sie waren bereits im Vorprogramm so illustrer Bands wie den Goldenen Zitronen und den Chicks On Speed zu sehen und haben sich mittlerweile ihr eigenes Publikum "erarbeitet", sind auf Frauenfesten und CSDs unterwegs. Queer Politics, Liebe zwischen Frauen, Genderdiskurs, Körpercodes, das sind die Themen, mit denen sich RKAHF in ihren Songs beschäftigen. Rein musikalisch bewegen sie sich dabei locker-flockig zwischen Elektro, Punk und Pop.
"Sister" beginnt als dadaistisch-abstruse Busfahrt, bei der Lenin als Sichtschutz dient, und endet in einer Hommage an Virginia Woolf. "I don’t like your body / you don’t like my body / you suck me in / you spit me out" – "Shock" ist der erste Song, den RKAHF überhaupt aufnahmen, und er ist einer der bewegendsten ihres Debütalbums "I Am Disco". Oder "Pants", der transvestitische Hit zur vergenderten K-Frage: "What can I wear today? Choose my pants or shall I use my dress – everything looks queer today – I know I need some vacation from my boyish closet". "Wir wollten bei Rhythm King And Her Friends etwas Neues entwickeln: Queer-Politics mit elektronischer Musik verbinden" sagen sie und treffen damit den Nagel auf den Kopf. Warum ist da vorher keiner drauf gekommen?
RKAHF lieben es darüber hinaus, mit Akzenten zu singen: Pauline singt französisches Englisch, Linda deutsches Französisch, und das alles klingt so sexy, dass man sich die Kleider vom Leib reißen möchte – egal ob Minirock oder Baggypants. Dazu kommen Instrumente zum Einsatz, die man billig auf Berliner Flohmärkten kaufen kann, was dem Sound allerdings zu keiner Zeit Abbruch tut. Und manchmal sind auch die guten alten analogen Instrumente wie Klarinette oder Glockenspiel zu hören.
Dreh- und Angelpunkt des Albums ist der geniale Clubhit "Get Paid" – eine Hymne für die ausgebeutete Masse, mit feinen Ratschlägen, wie man den Arbeitgeber auf subtile Weise schädigen kann – Computerviren einschleppen, zu Kunden unfreundlich sein, weniger tun als gewünscht. Aber aufpassen, damit das Gehalt nicht gefährdet wird: "Watch out, so I’m gonna get paid". Die Revolution muss schließlich auch was essen, wenn sie sich nicht selber fressen soll. Und: "I’ve got a bad disposition that wants to work too." Nicht nur beruflich ist weniger arbeiten angesagt, sondern auch privat: Frauen, so der Subtext, investieren oft zuviel Kraft in "Beziehungsarbeit". Auch da heißt es mal die Beine hochlegen! Überhaupt handeln alle Songs von Frauen – eine Konsequenz, die nur natürlich ist. "Wir denken einfach immer an Frauen, deswegen!" lautet die simple Erklärung.
RKAHF sind das beste Beispiel dafür, dass Feministin sein mehr beinhaltet als den Wunsch, den Männern auf irgendwelche Körperteile zu treten. Feministisch sein, das heißt auch auf gewisse Machtverhältnisse verzichten. Das zeigt sich auch im Songwriting und in der Bandstruktur: keine Hierachien, bitte! Instrumente werden auf der Bühne ausgetauscht, singen darf auch jede mal, und auch das Schreiben der Songs entsteht in ständiger Kommunikation. Hier haben Queer-Community und Riot-Grrrls endlich Alternativhelden – mögen diese so klug sein, das zu erkennen und entsprechend zu würdigen.