Palais Schaumburg: Lupa
Im Jahr 1982 trennte sich die Gruppe Palais Schaumburg. Schon vor "Lupa" hatte es personelle Verschiebungen gegeben, den Weggang von Mastermind Holger Hiller. Für dieses Album raffte man sich noch einmal auf, das letzte Mal. Dass da in den frühen 80ern eine tatsächlich an Genialität grenzende Truppe auseinanderbrach, davon kann man sich jetzt in der Rückschau bei Bedarf noch einmal überzeugen.
"Lupa" war das erfolgreichste Album der Kunstlied-Popper. Wo das erste selbstbetitelte Album noch roh und minimalistisch gewesen war, setzte "Lupa" auf ein Mehr an allem, ein gewollter Kontrast zu dem, was man bisher von Palais Schaumburg gewohnt gewesen war. Einziger Fixpunkt sollte immer bleiben: die Sprache. Dieser Dadaismus, der weniger auf einen zu erkennenden verborgenen Sinn zielte, als vielmehr auf die Wirkung der Silben und auf die grenzenlose Kraft der Fantasie. Beispiel: "Das Zimmer sah jung im Herbst hatte sie grüne Vorhänge unter ihrem Bett lagen Mäuse in ihren Strümpfen knisterte leise der Wind": mehr Lyrik konnte man nicht wollen. Aber: Hiller war weg, man brauchte einen neuen Sänger. Die Aufgabe übernahm Walter Thielsch, und er meisterte sie mit Bravour: Wie er zum Beispiel beim vielleicht besten Song "Stich auf Stich" die Sätze skandiert, dem kann man nur schwer seine Bewunderung entsagen. Auch der Einfall, für "Rosen" im Text einzig die Namen verschiedener Rosenarten zu kombinieren, kam von Thielsch. Ganz großartig natürlich auch die Single "Hockey", wohl eines der merkwürdigsten Liebeslieder der deutschen Musikgeschichte: "Ich werfe mit dem Schläger/ und treffe Frauke/ sie wirft zurück/ der Sieg der Sieg der Sieg".
Ruud van der Stappen, der die Band als Fan jahrelang begleitete und die Liner-Notes für den Re-Release schrieb, spricht im Booklet über "Lupa" als "ein Dokument eines spannenden, eindrucksvollen Scheiterns". Das trifft es ziemlich genau. Eine dritte Platte gab es nicht mehr, die verbliebenen Mitglieder gingen getrennte Wege. Palais Schaumburg und ihr Musikansatz gehören unzweifelhaft der Vergangenheit an, aber wer "Lupa" hört, kann sich dem ungemein kreativen Potential dieser Band nicht entziehen. Auch heute nicht.