Geschichte wird gemacht, bis es wehtut:
Von Spar sind die Statthalter der guten Ideen.
Was haben wir’s gut in diesem Land: so viele tolle deutsche Bands zur Zeit, die man ganz uneingeschränkt klasse finden kann. Oder liegt’s an der momentan depressiven allgemeinen Lage, dass die im weitesten Sinne "politischen" Bands wie Pilze aus dem Boden schießen? Wo Unheil ist, da wächst das Rockende eben auch. Von Spar zum Beispiel machen mit ihrer Musik genau da weiter, wo die Mediengruppe Telekommander kürzlich aufgehört haben: Punk, Pop, Rock und Funk zusammen mit intelligenten Texten so weit zu verwursten, dass ein unwiderstehlicher Cocktail rauskommt. Die Band besteht aus Thomas Mahmoud, Philipp Janzen und Christopher Marquez, umtriebigen Mitgliedern der wunderbaren Oliver Twist Band sowie von Urlaub in Polen. Was sie da mit ihrem lang erwarteten Debütalbum auf die Beine gestellt haben, ist nichts weniger als eine Offenbarung.
Komisch, wie wenig sich die Dinge verändern. Einerseits konnte man selten die momentane deutsche Lage so wunderbar in 10 Songs gegossen vorfinden. "Ich rieche deinen kalten Schweiß/ es könnte jeden treffen" singt man dieser Tage schließlich auch bei DaimlerChrysler in Stuttgart, während in den Chefetagen eine andere Tonart vorherrscht: "Ich bin eine Ich-Maschine, ich bin eine Ich-AG – mach du doch den Dreck weg!" Die Aristokratisierung des Billigtums steht hinter dem Bandnamen: Vorsicht, ein Trend geht um (siehe Aldi/Lidl/Penny – wir können nur billig, fressen müsst ihr es schon selbst). Alle gängigen Themen stecken hier en detail – die zunehmende Vernetzung ("schalt dich ein/ schalt dich aus") ebenso wie die Gesundheitsreform ("die Welt eine riesige Zahnarztpraxis") – schlechte Ideen sind was anderes.
Andererseits findet man hier so ziemlich alles wieder, was man in den letzten Jahrzehnten an deutscher Musik gut finden konnte. "Die uneingeschränkte Freiheit …" enthält einen Zitatenreichtum, der seinesgleichen sucht – geklaut wird meistens von Vorläufern und Geschwistern im Geiste (Blumfeld, Fehlfarben, ganz genial das Riff von The Knack in "Schockwellen auf’s Parkett", etc.) Aber auf ein Zitatenfeuerwerk kann man das Album nicht reduzieren. Schon bei den "Bunsenwahrheiten" (dessen Titel auf die inhärente Ironie verweist, zu der man eben auch fähig ist) heißt es an prominenter Stelle "Geschichte wird gemacht", und mehr denn je wird der Hintersinn dieses Agitprop-Spruches offenbar: Alles, was da ist, wurde von irgendwem so gewollt. Und nur die Gewinner können am Ende von ihren Siegen erzählen. Und wenn es dann heißt "Mach kaputt, was dich kaputt macht", dann erzählt dieses Protest-Update auch und vor allem davon, dass das Thema Pop und Politik noch lange nicht abgeschlossen ist.
Als Gäste sind Frank Spilker von den Sternen und Peter Hein von Fehlfarben dabei, auf deren Tour Von Spar auch schon als Vorgruppe fungierten. Produziert wurde das Ganze von Chris & Carol von Rautenkranz, und nach all dem Gelabere über die Inhalte muss man zu guter Letzt sagen: es kickt auch ganz mächtig in den Hintern. "Die Bösen haben keine Melodien/ nur Parolen auf bunten Schlagzeilen", aber Parolen zum Auf-T-Shirts-Drucken, die findet man auf diesem Album ebenfalls zuhauf, und die großartigen Songs zum Mitbrüllen gleich dazu. Das schon erwähnte "Schockwellen auf’s Parkett" ist möglicherweise der Song dieses Jahres, und das abschließende "Bis es wehtut" spendet warmen Trost: "Und ich nerve/ und du bist nicht allein." Danke, das hab ich gebraucht.