Im Interview: Eric Graf
Eric Graf, Mastermind von Boxstep, beantwortete uns einige Fragen. Hoffen wir, dass seine politischen Weissagungen nicht ganz so stimmig sind wie seine Songs.
Seid Ihr alle in Pennsylvania aufgewachsen?
Yep. Wir sind alle in den Hügeln von Pennsylvania geboren und aufgewachsen. Tatsächlich sind wir alle seit mindestens 10 Jahren in Pittsburgh. Pittburgh ist ein lustiger Ort. Da fließen Norden und Süden zusammen, Osten und Westen. Man findet hier so viele kulturelle Aspekte der USA. Im Moment würde ich soweit gehen es meine Heimat zu nennen, aber irgendwie treibt es mich auch weiter. Ich wäre bereit, mal eine Weile woanders zu leben, ich weiß nur noch nicht wo. Ich warte mal ab, wohin es mich verschlägt.
Hättest du dir je träumen lassen, dass ihr mal als Vorband von Wilco oder Will Oldham spielen würdet?
Nun, ich würde nicht sagen, dass das je ein Traum von mir war. Ich respektiere aber Bands wie Wilco und Liedermacher wie Will Oldham sehr. Ich bewundere ihr Werk, mehr noch bewundere ich aber, dass sie schon so lange dabei sind, es als ihr Leben akzeptiert haben, dass sie umgehen können mit den Hochs und Tiefs, die ein Musikerleben mit sich bringt, dass sie trotz allem unbeirrt weitermachen. Ich bewundere die Integrität ihrer Musik. Wenn man für solche Leute als Vorband fungiert, lernt man eine ganze Menge. Ich habe von ihnen gelernt, dass es nur einen Weg gibt, an die eigene Musik und Kunst heranzugehen, und das ist mit ganzem Herzen. Das macht das Leben ein wenig leichter.
Eure Band besteht aus neun Musikern. Habt Ihr da nicht manchmal Schwierigkeiten untereinander?
Eric Graf und Sarah Siplak Foto: boxstepmusic.com |
Nun, das ist ein bisschen missverständlich. Auf der Platte sind wir zu neunt, aber eigentlich besteht die Band im Moment aus fünf Musikern. Das ändert sich allerdings ständig. Ich mag das, dieses Auf und Ab, wenn Musiker in die Band kommen und sich mit mir und meiner Arbeit weiterentwickeln. Da sind zunächst mal Sarah Siplak und meine Wenigkeit. Wir waren von Anfang an dabei. Dazu Vince Camut an der Steelguitar, Dan Tomko am Bass und Steve Gardner am Schlagzeug. Dan und Steve sind auf "Back Roads" noch nicht mal zum Einsatz gekommen. Boxstep ist für mich ein Spitzname für die Musiker, die bei einer bestimmten Aufnahme oder Tour gerade zugegen sind, aber es wäre missverständlich zu behaupten, wir seien eine kompakte Band. Nach alle den Jahren habe ich für mich selbst entschieden, dass ich so am besten arbeiten kann. Ich habe gelernt meine Visionen für die Songs, meine Wünsche direkter zu artikulieren, und ich glaube ich habe aus der Vergangenheit schmerzhaft gelernt. Für mich ist die Konstante und das Essentielle von Boxstep das gemeinsame Singen von Sarah und mir. Das bedeutet Boxstep mittlerweile für mich – meine Songs, und dass wir sie singen.
Ich fand, dass "Back Roads", schon im Titel, ein bisschen konservativ klingt. Und die Texte beschwören ebenfalls dieses Gefühl einer besseren Vergangenheit herauf. Ist die Americana-Szene tatsächlich so konservativ wie sie scheint?
Ich bin mir nicht ganz sicher, was Du mit konservativ meinst. Im Sinne von nostalgisch? Americana greift per definitionem auf die Traditionen von amerikanischem Country, Folk, Blue Grass und Blues zurück. Also meinst Du, wenn man mit solchen Klängen arbeitet, dass es traditionell oder konservativ klingt? Ich weiß nicht. In den späten 90ern, als wir uns auf das Millenium zubewegten, da gab es diese glühende Leidenschaft für alles, das irgendwie modern klang. Ich war da keine Ausnahme, ich liebte Radiohead, Stereo Lab, die abgefahrenen Produktionen von Beck … aber dann änderte sich etwas in mir. Es klang alles plötzlich so zusammenhanglos und einsam. Ich hörte also auf, diese Musik zu hören und wandte mich wieder den Dingen zu, die ich als Junge gehört hatte: Dylan, Tom Petty, George Harrison. Mir fiel auf, dass bestimmte Künstler die Fähigkeit besitzen, authentische und zeitlose Musik zu machen. Dylan und Petty schreiben Songs, zu denen man mit seinen Freunden auf der Veranda sitzen kann, einige Flaschen Wein trinken, und dann die Gitarre rausholen und von Herzen mitsingen kann. Genau solche Musik will ich auch machen. So einfach ist das. Ich will Songs machen, die die Menschen mitsingen können und mit den Menschen teilen können, die sie lieben. Ich finde die moderne Welt erinnert uns ständig daran, dass das Leben überaus mechanisiert und entmenschlichend ist. Ich will nicht, dass meine Songs diesen Zustand nur reflektieren – ich will, dass sie ihn herausfordern.
Ist Gott immer noch die höchste Gewalt für dich (wie in "21st Century Psalms")? Oder gibt es immer noch Zweifel (wie in "Red Leaf")?
Als ich die Songs für "Back Roads" schrieb war ich mir dessen gar nicht bewusst, aber die ganze Platte drückt tatsächlich einen Konflikt aus. Ich bin katholisch erzogen, aber ich praktiziere schon seit Jahren keine Religion mehr. Irgendwie tauchen diese Themen aber immer wieder in meinen Texten auf. Um ehrlich zu sein, bis vor kurzem habe ich das gar nicht bemerkt. Du bist der dritte Journalist in den letzten paar Wochen, der den Religions- und Glaubensaspekt der Songs erwähnt. Ich sag es mal so: Ich suche nach etwas in meinem Leben - eine Art zu leben, bei der man sich selbst, seinem Herzen und denen, die man liebt, treu bleibt. So zu leben halte ich für sehr spirituell, und so fühlt man sich auch verbundener mit den Dingen. Formelle Religion gibt mir nichts. Die Songs auf "Back Roads" reflektieren meine Bemühungen, diese Lebensweise umzusetzen. Mit jedem Tag komme ich meinem Ziel näher. Meine neuen Songs sind schon sehr viel klarer und direkter, darüber bin ich sehr glücklich. Jetzt im September geht’s wieder ins Studio, um die neuen Songs aufzunehmen.
Es scheint, dass Ihr Euch mit den Songs eine Menge Zeit lasst – bloß keine Eile. Nehmen Eure Live-Performances auch soviel Zeit in Anspruch?
Ich denke das hängt vom jeweiligen Song ab … Aber ja, es gibt einige Songs, die sich auf ihrem eigenen Weg entlangwinden, bevor wir anfangen zu singen. Bei unseren Live-Shows haben wir eine lockere Herangehensweise, in die Songs einzusteigen. Ich mag es, wenn man erstmal improvisiert und dann, wenn alle an derselben Stelle sind, anfängt. So macht es Spaß, es ist nicht so steif und formell.
Ich habe gelesen, dass Vince in einem Hungerstreik war? Was ist der Hintergrund zu dieser Geschichte?
Ha! Das war bloß ein Witz, den ich auf unserer Webseite verbreitet habe. Vince weiß mehr über Bob Dylan als jeder andere den ich kenne, und so hab ich ein bisschen rumgealbert. Aber es klingt nach einer interessanten Story, oder? Bei unserer nächsten Show wird Vince oben ohne auftreten mit den Worten "Soy Bomb" über seiner Brust gekritzelt, als Hommage an den Typen, der auf die Bühne sprang, als Bob Dylan vor ein paar Jahren seinen Grammy für sein Lebenswerk erhielt. Fürs Protokoll möchte ich anmerken, dass Boxstep sowohl Bob Dylan als auch Unterwäsche lieben. Obwohl, ich persönlich liebe eine Frau, die keine Angst davor hat, auch mal nichts drunter zu tragen.
Was ist das Beste am Dasein eines von den Kritik gelobten Country-Stars?
Es ist schön, wenn deine Arbeit von Menschen geschätzt wird, die Musik offensichtlich ernst nehmen. Darüber hinaus aber bedeutet es mir nichts, ein Star zu sein.
Auf Eurer Website heißt es: "Vote!" Republikaner oder Demokraten?
Ich kann nicht für den Rest von Boxstep sprechen, aber ich denke vier weitere Bush-Jahre, und ich werde nach Europa auswandern. Herrgott nochmal, für mich repräsentiert der Mann alles, was in unserem Land nicht stimmt. Ich habe allerdings das Gefühl, dass Kerry keine großen Chancen hat. Unsere Wahlen sind zu Schönheitswettbewerben verkommen, und Kerry ist total unsexy, genauso unsexy wie es damals Al Gore war. Mit "sexy" meine ich so eine gefühlte Vitalität. Ich weiß es ist absurd, aber ich habe ehrlich das Gefühl, dass Männer, die an die Macht wollen, eine Art von Energie verströmen müssen. Diese Energie zieht dann oft die Leute magisch an, oder sie stößt sie sofort ab. Clinton war so eine polarisierende Figur. Die Menschen haben entweder auf ihn geschworen oder ihn leidenschaftlich gehasst. Bush ist genauso, nur Republikaner. Er hat auf seiten der Linken echte Verachtung ausgelöst, aber das lässt seine Unterstützer nur noch fanatischer werden, und ihr Glaube an ihn ist von Emotionen gespeist, nicht von irgendeiner Art von Rationalität. Ich glaube, Bush wird wieder gewinnen. Traurigerweise.
Gibt es sonst noch etwas, was Ihr dem deutschen Publikum mitteilen möchtet?
Kauft unsere Platten. Wir wollen nach Deutschland kommen und für Euch spielen. Wenn wir nach Deutschland kommen, dann werde ich so oft wie möglich Pick-up Soccer spielen. Ich liebe es Mittelstürmer zu sein. Das liegt mir im Blut.