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Oktober 2004


Radio 4:
Stealing Of A Nation

City Slang 2004

Radio 4: Stealing Of A Nation

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The Faint:
Wet From Birth

Saddle Creek 2004

The Faint: Wet From Birth

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Radio 4:
Stealing Of A Nation




Radio 4
Foto: Michael Lavine

Radio 4 müssten eigentlich die Lieblingsband von Thomas Meinecke oder Judith Butler sein, denn wie keine andere aktuelle Rockband zieht sie den Rockern die Macho-Boots aus und die Dancetreter an – endlich Schluss mit der "Männlichkeit" des Rock und Platz für Androgynität: der strenge Adrenalingeruch weicht einem 70er-Jahre-Parfüm. Bei Radio 4 werden Gitarren nicht malträtiert, sondern virtuos umworben. Auch auf ihrem neuen Album "Stealing Of A Nation" (richtig geraten: die Anspielung auf die USA unter G. W. Bush ist beabsichtigt) mischt die Band wieder aufs einträchtigste Rock und Dance, als ob es nichts leichteres gebe als das. Bereits der Opener, der Clubbrecher "Party Crashers", fetzt mächtig ins Ohr. Auch die Texte sind beachtenswert, immer politisch, aber niemals mit dem erhobenen Zeigefinger.

Radio 4 sind für mich immer dann am besten, wenn sie Ausflüge zum Dancehall und zum Dub machen. Nicht umsonst ist Reggae im Moment die bevorzugte CD-Beschallung bei den New Yorkern, was man beispielsweise dem Titelsong unschwer entnehmen kann. Aber wie schon bei der in ähnliche Kerben schlagenden Band Phoenix habe ich so meine Probleme mit der Zeit. Mit der Zeit nämlich bemerkt man, dass die Songs in der Qualität variieren, je nachdem wie man sich fühlt. Im Club, im hormonellen Überschwang mag das nämlich alles funktionieren, aber daheim mit dem Kopfhörer auf den Ohren wird es leicht abgeschmackt. Dagegen ist natürlich nicht viel zu sagen, außer: hört das Album unbedingt zusammen mit anderen Leuten und tanzt dazu!



The Faint:
Wet From Birth




The Faint: Wet From Birth

Gar nicht viel anders, aber noch den kleinen Tick besser machen es da die fünf Jungs von The Faint. Obwohl der Ansatz derselbe ist: rockflirrende Gitarren werden gepaart mit Disco, Punk, Pop und hintersinnigen Texten. The Faint kommen aus Omaha (oha! jaja!), aber den Saddle-Creek-Ton, den hört man ihnen gar nicht sofort an. Klingen eher nach New York als nach Nebraska. Natürlich wird auch hier das gesamte 80er-Jahre-Arsenal geplündert, allerdings ohne zu zitieren. Viel lieber machen sie ihren eigenen Stiefel draus. Da flirrt und frickelt und geigt und rauscht und bombastisiert es zwischen den Gitarren, dass man ganz weirdo wird.

Außerdem hat mit The Faint endlich mal eine Band die Chuzpe, einen Song "Erection" zu nennen, wie es sich für natural born rockers gehört. Fabelhaft! Allein "How Could I Forget" mit seinen psychedelischen Saitensprüngen vergisst man nicht so leicht. Ein Besuch auf der Geschlossenen ist nichts dagegen. Oder der zum erwähnten Punk-Revival passende Hit "Drop Kick The Punks". Bei "Southern Belles in London" hört man übrigens die engelsgleichen Stimmen von Orenda Fink und Maria Taylor von Labelkollegen Azure Ray. Insgesamt also alles andere als feucht hinter den Ohren und damit uneingeschränkt zu empfehlen! Einziges Manko: Es ist schon nach knapp 35 Minuten vorbei.